Intervention

[950] Intervention (v. lat.), 1) (Rechtsw.), die Handlung, durch welche Jemand (Intervenient) unaufgefordert in einen schon anhängigen Rechtsstreit sich einmischt (intervenirt), weil er an dem Ausgange desselben vermöge eines gegenwärtigen, schon bestehenden Rechtsverhältnisses ein Interesse hat. Je nach dem Interesse, das der Intervenient verfolgt, gestaltet sich die Behandlung einer I. verschieden; der Intervenient nimmt entweder a) das zwischen den Parteien streitige Object selbst u. für sich allein in Anspruch u. sucht deren Ansprüche an dasselbe ganz zu vernichten (Hauptintervention, I. principalis). Diese ist als eine ganz neue Klage zu betrachten, u. das Interesse kann daher hier nur in einem Klagrechte bestehen, welches Veranlassung zu einem besonderen Streite hätte werden können, wenn nicht über den nämlichen Gegenstand schon ein Streit ausgebrochen wäre. Sie ist in jeder Lage der Hauptsache zulässig, wenn der Intervenient ein solches Interesse bescheinigt, welches ohne Nachtheil für ihn die Verhandlung der Hauptsache nicht fortgesetzt werden kann, u. selbst die rechtskräftige Entscheidung steht an sich nicht im Wege. Ist die Interventio principalis zulässig, so ruht in der Regel die Hauptsache bis nach der rechtskräftigen Entscheidung über das behauptete bessere Recht, u. selbst die bereits erkannte Hülfsvollstreckung wird durch sie gehemmt, wenn ein unersetzlicher Schaden zu befürchten wäre, od. der Sieger keine Sicherheit wegen der etwaigen Wiedererstattung leisten kann. Oder b) der Intervenient schließt sich nur einem der streitenden Theile an, um diesen zum Siege zu verhelfen u. dafür zu sorgen, daß zu der Erreichung des gemeinsamen Zweckes nichts versäumt werde (Nebenintervention, I. accessoria). Diese Art der Einmischung ist dann zulässig, wenn der dritte bei dem anhängigen Rechtsstreite ein solches Interesse hat, daß entweder sein Recht an einer Sache od. sein Anspruch an eine Partei durch deren Sieg bedingt ist, od. derselbe einem Theile im Falle des Unterliegens als Bürge od. als Verkäufer, wegen Eviction, haften muß. Der Intervenient muß hier die Sache in der Lage aufnehmen u. fortsetzen, in der sie sich zur Zeit seines Beitritts befindet, u. wird nach der rechtskräftigen Entscheidung nicht mehr zugelassen. Nach der Meinung Einiger wird er als Streitgenosse der einen Partei angesehen, nach Anderen blos als Rathgeber u. Procurator dieser Partei (z.B. als Litisdenuntiät). c) Vielfach hat man daneben noch eine I. mixta (Gemischte I.) angenommen, unter welcher man Fälle begreift, in denen die Zwecke der beiden anderen Arten der I. scheinbar zusammentrafen. 2) Die Einmischung eines Staates in die Angelegenheiten eines anderen Staates, bes. bei inneren Unruhen. So intervenirte Österreich 1821 in Piemont u. Neapel, 1823 Frankreich in Spanien, 1827 Frankreich, Rußland u. England in Griechenland, 1832 Frankreich in Belgien, 1833 Österreich im Kirchenstaat, 1849 wiederholt in Toscana etc. Im Allgemeinen läßt sich vom Standpunkte des Völkerrechts eine Befugniß zu einer solchen I. nicht anerkennen; denn kein Staat kann dem anderen eine bestimmte Verfassung aufdringen, keiner verlangen, daß in dem fremden Staate bestimmte Regierungsmaximen ausschließlich angewendet werden, weil dies dem Wesen eines selbständigen Staates widerspricht. Doch gibt es Ausnahmsfälle, in welchem eine I. als gerechtfertigt angesehen wird. Dahin gehört a) wenn der fremde Staat selbst das Recht dazu ertheilt hat od. durch Vertrag, z.B. durch Übertragung einer Garantie (s.d.) od. ein schutzherrliches od. Bundesverhältniß im Voraus das Recht eingeräumt worden ist. Nach diesem Princip steht z.B. dem Deutschen Bunde das Recht zur I. in allen Einzelstaaten zu, wenn durch die inneren Einrichtungen desselben die wesentlichen Zwecke des Bundes verletzt od. gefährdet werden; b) wenn durch Änderungen der Verfassung od. durch andere Regierungsmaßregeln wohlerworbene Rechte des anderen Staates verletzt werden, z.B. bei eventuellen Successionsrechten, lehnsherrlichen Ansprüchen, Staatsservituten; c) wenn unter fremden Staaten ein zielloser Kriegszustand od. eine völlige Anarchie ausbricht, welche den bisher bestandenen gegenseitigen Verkehr ganz unmöglich macht; endlich kann d) bei erfolgter unbefugter I. eines Staates auch einem dritten Staate das Recht zur I. nicht abgesprochen werden, wenn durch die erste I. ein auch für die übrigen Staaten rechtsverletzendes Princip, z.B. durch Anmaßung einer Oberherrlichkeit etc. aufgestellt werden sollte. Immer darf die I., wenn sie in rechtlichen Grenzen bleiben soll, in Anwendung der Mittel nicht über ihren Zweck hinausgehen. Sie kann sich daher zuweilen nur auf eine Intercession, d.i. die Anbietung fremder Hülfe u. den Versuch gütlicher Beilegung beschränken, u. so lange sich ein Staat auf diesem Gebiete hält, ist ihm auch eine weiter ausgedehnte Einwirkung auf die Verhältnisse des fremden Staates gestattet. Nach erlangtem Erfolg hat sich der intervenirende Staat alsbald wieder zurückzuziehen, wenn er nicht ähnliche Maßregeln anderer Staaten hervorrufen will. Vgl. Heiberg, Das Princip der Nichtintervention, Lpz. 1842; H. von Rotteck, Das Recht der Einmischung, Freib. 1845.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 950.
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