Lotterie

[535] Lotterie (vom ital. Lotteria), ein unter Aufsicht u. Garantie des Staates stehendes Glücksspiel, worin der Gewinn durch das Loos (Lotto) entschieden wird. Gewöhnlich bezeichnet man mit diesem Namen, zum Unterschied vom Lotto (s.d.) od. der Zahlenlotterie, die Holländische od. Klassenlotterie, in welcher in bestimmter Anzahl mehre tausend Loose zur Erleichterung des Ankaufs auch in halbe, Viertel- u. Achtelloose getheilt sind u. in früherer Zeit noch von den Spielern mit Devisen versehen wurden, um einen bestimmten Einsatzpreis verkauft u. die Einnahme dafür als Gewinne auf einige Nummern vertheilt wird, zu denen zuweilen noch einige Gewinne als Prämien, z.B. für das zuerst od. zuletzt gezogene Loos od. das nächste vor u. nach einem Hauptgewinne, hinzukommen. An vorausbestimmten Tagen werden gleichzeitig, gewöhnlich durch zwei Waisenknaben mit verbundenen Augen, aus dem einen Glücksrade eine Nummer u. aus dem anderen eine Niete od. Gewinn gezogen u. dies fortgesetzt. Gewöhnlich geschieht die Ziehung, um längeres Interesse zu erhalten, in mehreren Klassen, für deren letzte ein bedeutender Gewinn, das große Loos, aufgespart zu werden pflegt. In den ersten Klassen werden oft lauter Gewinne gezogen, in der letzteren Gewinne u. Nieten, od. umgekehrt, während anderswo überhaupt nur Gewinne ins Glücksrad geworfen werden u. die mit diesen nicht herausgekommenen, übrig gebliebenen Nummern als Nieten gelten. Da bei diesen L-n die Einnahme (der Betrag der Loose) der Ausgabe (den sämmtlichen Gewinnen) gleich ist, so wird, um die Unkosten zu decken u. einen Vortheil für die Unternehmung zu erlangen, ein Procentabzug (gewöhnlich 10 bis 121/2 Procent) gemacht, von dem ein großer Theil irgend einer Staatsanstalt (z.B. Waisen- u. Zuchthäusern) anheimfällt. Zur Verkreidung der Loose sind von der Lotteriehauptkasse Hauptcollecteurs angestellt, für welche sie einsteht, während diese wieder ihre Subcollecteurs zu vertreten haben. Zu deren Vergütung wird theils beim Ankauf des Looses ein kleines Aufgeld entrichtet, theils bei Auszahlung des Gewinnes ein Abzug von etwa 3 Procent gemacht. Über Gesetze u. Einrichtungen einer L. werden gedruckte Plane (Lotterieplane) ausgegeben, u. die in einer Klasse gezogenen Nummern durch gedruckte Listen (Lotterielisten) öffentlich bekannt gemacht. Außer diesen Geldlotterien hat man auch Waarenlotterien, Güterlotterien etc., welche, da sie gewöhnlich keine Nieten u. nach Nominalwerth lauter Gewinne haben, sehr verlockend sind. Obgleich Privatunternehmungen, bedürfen diese u. alle andere, wenn auch zu wohlthätigen Zwecken veranstaltet, doch auch der Genehmigung des Staates od. der Behörden ebenso, wie die Güterlotterien, wo einzelne Rittergüter od. ganze Herrschaften verloost werden u. wobei, bes. wegen damit verbundener Geldgewinne, bedeutende Handlungshäuser die Bürgschaft übernehmen. Durch willkürliche zu hohe Abschätzung der Güter pflegen gewöhnlich dabei die Spieler benachtheiligt zu werden. Eine besondere Art L-n sind die mit Staatsanleihen verbundenen Prämienlotterien. Die einzelnen Anleihen werden nach u. nach in einer Reihe von Jahren gezogen u. zurückbezahlt, außerdem aber[535] für einen Theil derselben bedeutende Prämien gegeben. Die Möglichkeit, diese zu bezahlen, beruht auf dem Zinsenzuwachs, falls die durch die L. gemachte Anleihe eine unverzinsliche ist, od. auf Ersparung eines Theils derselben, wenn nur Zinsen nach einem niedrigern Zinsfuße entrichtet werden. Schon bei den Römern findet man Ähnliches; es wurden statt der Geschenke an Naturalien (Congiaria) öfters Loostäfelchen an das Volk ausgetheilt (Tessera) od. geworfen (Missilia), welche zum Theil Gewinne enthielten. Augustus u. seine Nachfolger hatten bei ihren Gastmahlen die Gewohnheit, versiegelte, dem Äußern nach ganz gleiche Billets (Sortes convivales) zu verkaufen, auf denen Gewinne von verschiedenem Werthe verzeichnet standen, z.B. eine Geldsumme, ein Purpurkleid, ein Zahnstocher etc., eine Sitte, welche auch im Mittelalter an Höfen der Fürsten Nachahmung fand, wo diese ihre Hofleute Anweisungen zu Geschenken aus einem Glückstopfe ziehen ließen. Im Mittelalter kamen die Waarenlotterien, von italienischen Kaufleuten veranstaltet, auf, in Deutschland zuerst 1521 in Osnabrück, in Frankreich 1539, wo sie gegen eine Abgabe von jedem Loose an den König gestattet wurden u. den Namen Blanque erhielten, von dem italienischen bianca, leer, womit die Nieten bezeichnet u. ausgerufen wurden. Die erste L. in England 1569 war gleichfalls eine Waarenlotterie, die Gewinne Silbergeschirr, der Überschuß zum Unterhalt der Seehäfen bestimmt. Die erste Geldlotterie wurde in Florenz zum Besten des Staates, doch unter dem Namen Lotto errichtet u. schon 1571 standen die L-n in Venedig unter obrigkeitlicher Aufsicht. In Paris kam 1660 eine Geldlotterie nach Tonti's Plane zu Stande, worauf die Loteries royales alle Privatlotterien verdrängten. In Hamburg wurde 1615 die erste L. nach holländischer Art u. 1699 in Nürnberg die erste Klassenlotterie errichtet. In neuerer Zeit sind in mehreren Ländern die L-n aufgehoben worden, namentlich in Frankreich mit dem 1. Jan.1836, in England für immer 1826. In Deutschland bestehen gegenwärtig noch L-n in Preußen, Sachsen, Hannover, Braunschweig, Frankfurt a. M. u. Hamburg.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 535-536.
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