Magelōne

[694] Magelōne (Magellone od. Maguelonue), die Hauptheldin eines Ritterromans, welcher in die Literaturen fast aller bedeutenden Nationen Europas übergegangen ist. M. ist die schöne Tochter des Königs von Neapel. Peter, Sohn des Grafen von Provence, kommt auf seinen Ritterzügen nach Neapel, sieht M-n auf einem Turnier, liebt sie u. wird wieder geliebt. Peter schenkt M-n drei schöne Ringe. Da M. schon an einen anderen Ritter versprochen ist, so beschließen die Liebenden zu entfliehen; auf der Reise entschläft M. im Schooß des Ritters, dieser bemerkt in ihrem Busen ein Stück rothen Zindel, zieht ihn hervor u. findet darin seine drei Ringe. Ein Rabe, welcher das Zindel für ein Stück Fleisch hält, entführt den Zindel, Peter folgt dem Vogel, um ihm seine Beute wieder abzujagen, bis ans Meer, u. als sich der Rabe auf einen Felsen setzt, fährt Peter in einem Nachen selbst dahin; doch ein Wind treibt ihn aufs offene Meer, Seeräuber fangen ihn auf u. bringen ihn ihrem Sultan zum Geschenk. Dort verweilt er zwei Jahre; des Sultans Tochter, Sulima, sieht u. liebt ihn; um ihr zu entgehen, wirst sich Peter in einen Nachen, läßt sich in das Meer treiben u. stößt auf ein Christenschiff, das ihn nach seiner Heimath bringen will; doch auf einer wüsten Insel entschläft er, u. das Schiff segelt ohne ihn ab. M. war unterdessen nach ihrem Erwachen u. nach vergeblichem Rufen fortgegangen u. hatte sich zuletzt in einem Hospital der Pflege der Armen u. Kranken gewidmet. In dieses Hospital wird Peter, von Fischern gefunden, gebracht u. nachdem sie sich erkannt haben, kehren Beide nach dem Hof von Provence zurück. Der Roman vor M. entstand in der Provence, wo der Stoff noch vor Ausgang des 12. Jahrh. poetisch in einer provencalischen Dichtung behandelt worden war. Letztere bildete die Grundlage zu einem altfranzösischen erzählenden Gedicht,[694] welches gegen Ende des Mittelalters in Prosa aufgelöst u. dann auch wiederholt gedruckt wurde. (Histoire du noble et vaillantchevallier Pierre de Provence et aussi de la belle Maguellone fille du Roy de Naples, zuerst 1457, 2 Ausg. o. O. u. Jahr, dann o. O. 1496 u. ö.). Dieses französische Prosabuch, welchs bald die allgemeinste Verbreitung fand, wurde durch Magister Veit Warbeck deutsch zu dem Volksbuch: Von der schönen Magelone nmgearbeitet, dessen ältester Druck 1535 in Augsburg erschien (auch in dem Buch der Liebe, Frankf. 1587; neue Ausgaben in Marbachs u. in Simrocks Deutschen Volksbüchern). In neuerer Zeit wurde dasselbe von Tieck im Phantasus (Bd. 1) u. von Schwab (in dem Buch der schönsten Geschichten) bearbeitet; den Stoff hat Lope de Vega zu seinem Drama: Die drei Diamanten, benutzt.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 694-695.
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