Oratorium

[330] Oratorium (lat.), 1) Bethaus, Betsaal, Betzimmer, in welchem sich ein Altar mit Crucifix befindet; in der frühesten christlichen Zeit auch überhaupt so v.w. Kirche od. Kapelle; 2) ein Gedicht geistlichen Inhalts in dramatischer Form, dessen Stoff gewöhnlich der Bibel u. zwar vorzugsweise dem A. T. entnommen ist u. welches von Singstimmen mit Begleitung von Instrumentalmusik zu religiöser Erbauung, gewöhnlich in Kirchen, aber auch außerdem in Concertsälen (s. Concert spirituel) aufgeführt wird. Es ist mit der Oper in der weltlichen Musik zu vergleichen, da es Gesangstücke aller Formen vereinigt u. nur dem Chor eine bedeutendere Stelle gibt, als die Oper. In Italien wurden sie seit 1540 gewöhnlich u. sollen den Namen daher bekommen haben, daß in der Advent- u. Fastenzeit, wo die Theater geschlossen waren, geistliche Singspiele von Philipp von Neri in seinem O. od. Betsaale aufgeführt wurden. 1656 wurden sie von Spagna nochmals in der Form verändert. Bald artete ihr Styl, vorzüglich in Italien, zu sehr ins Weltliche u. Opernähnliche aus, u. nur in Deutschland, wo sich immer die größten Tonsetzer, z.B. Sebastian u. Em. Bach, Rolle (Lazarus), Graun, Haydn (Schöpfung), Mozart, Händel, Fr. Schneider (Weltgericht, Sündfluth ua.), Spohr (die letzten Dinge), Lindpaintner (Jüngling von Nain), Mendelssohn-Bartholdy (Paulus, Elias u. Christus), Löwe (Johann Huß) u. And. damit beschäftigten, ist der Styl u. der Geschmack am reinsten geblieben.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 12. Altenburg 1861, S. 330.
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