Prioritäten

[600] Prioritäten, Anleihen, welche eine Actiengesellschaft in der Weise abschließt, daß den Gläubigern das unbedingte Vorzugsrecht hinsichtlich der stipulirten Zinsen u. der bedungenen Rückzahlung der Capitalbeträge von den Actionären eingeräumt ist u. Letzteren daher nur derjenige Theil des Ertrages zur Vertheilung übrig bleibt, welcher sich nach Abzug der für die P. erforderlichen Zins- u. resp. Capitalbeträge ergibt. Man unterscheidet hinsichtlich der den P. eingeräumten Befugnisse Prioritätsactien (Stammprioritäten) u. Prioritätsobligationen, beide Arten stimmen darin überein, daß den Inhabern eine feste Verzinsung garantirt ist, die Prioritätsactien genießen aber außerdem den Vorzug, daß ihnen, wenn der Ertrag des Unternehmens diesen Zinssatz übersteigt, auch ein Antheil an der Dividende zufließt. In der Regel ist den Inhabern der P. zu ihrer größeren Sicherheit an dem unbeweglichen u. beweglichen Vermögen der Actiengesellschaft eine ausdrückliche Hypothek vorgeschrieben; manche sind außerdem noch dadurch begünstigt, daß der Staat eine Garantie für die richtige Bezahlung der Zinsen übernommen hat. Bei mehren Anleihen eines Actienunternehmens genießt die der Zeit nach frühere Ausgabe (erste, zweite Emission etc.) den Vorzug vor der späteren. Gewöhnlich erfolgt die Beschaffung des Capitals, welches mittelst P. gedeckt werden soll, durch Creirung von Papieren, welche au porteur lauten u. daher der freiesten Circulation fähig sind. Die Einrichtung u. rechtliche Behandlung der für die P. ausgegebenen Documente ist dann im Wesentlichen dieselbe, wie bei anderen Inhaberpapieren. Sie unterliegen einem Börsencurs, welcher nach dem Credit der Actiengesellschaft, den politischen u. Handelsconjuncturen etc. schwankt. Für die Einziehung der Zinsbeträge sind die auf den Nominalbetrag der verschriebenen Schuld ausgestellten Documente mit Zinsscheinen (Zinscoupons) versehen, welche gleichfalls au porteur lauten.[600] Die Zahlung des Capitalbetrages erfolgt in der Regel nach einem im Voraus festgesetzten Tilgungsplan, welcher meist auf jährlicher Ausloosung einer im Voraus festgesetzten Anzahl von Obligationen beruht. Nach den bei den preußischen Eisenbahnen angenommenen Grundsätzen wird in der Regel dazu ein halbes Procent des Reinertrages, welcher über den Betrag der ausgegebenen P. erzielt wird, nebst den durch die eingelösten P. ersparten Zinsen verwendet. Ausnahmsweise tritt für die Gläubiger der Prioritätsanleihe das Recht zur Einforderung der Capitalbeträge alsdann ein, wenn entweder die Zinszahlung od. der ganze Betrieb der Gesellschaft ein unordentlicher wird, od. die Amortisation in das Stocken geräth, od. die Actiengesellschaft in Concurs verfällt. In letzterem Falle richten sich die Rechte der Prioritätsgläubiger nach dem Hypothekenrange, welcher ihnen in Betreff des Vermögens der Actiengesellschaft eingeräumt ist.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 13. Altenburg 1861, S. 600-601.
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