Schachmaschine

[43] Schachmaschine (Schachspielmaschine), Maschine, von dem Ungar Kempelen (s.d.) construirt. Eine türkisch gekleidete menschliche Figur saß auf einem Stuhle hinter einem 41/2 Fuß langen, 2 Fuß breiten u. 31/2 Fuß hohen Tische, auf welchem sich ein Schachbret befand. Von der Figur wurden, wenn ein Schachspieler ein Spiel mit ihr unternahm, die auf dem Schachbrete aufgestellten Steine nach den Regeln des Spieles gehoben u. auf den gehörigen Ort gesetzt; eben so wurde, wenn ein Stein des Gegners zu schlagen war, dieser vorher weggenommen u. neben das Bret gesetzt. Das Schach der Königin wurde mit zweimaligem, dem Könige mit dreimaligem Nicken von der Figur angedeutet; bei einem regelwidrigen Zuge des Gegners schüttelte die Figur den Kopf, setzte den gezogenen Stein wieder an den vorigen Ort u. that dann sogleich ihren eigenen Zug. Gegen nicht sehr geübte Spieler gewann sie das Spiel immer. Das Innere der Maschine, sowohl der Figur als des Kastens, war mit Rollen, Rädern, Getrieben, Walzen, Hebeln, Federn etc. angefüllt, welche vor dem Anfang des Spieles, aber nicht während u. nach demselben, den Zuschauern gezeigt wurden. Der Gegner beim Spiel, so wie die Zuschauer, waren von der Maschine durch Schranken geschieden; unter den Zuschauern stand immer auch der Erfinder u. sah dem Spiele zu, ein Gehülfe von ihm aber befand sich innerhalb der Schranken, seitwärts der Maschine, u. beobachtete aufmerksam das Innere eines nach ihm zu geöffneten Kästchens, neben welchem ein Licht stand. Der Gehülfe berührte die Maschine nie, aber er u. der Erfinder standen durch bemerkbare Zeichen, welche sie sich gaben, mit einander in Verbindung. Das Aufziehen der Maschine war wohl nur Schein, um die Aufmerksamkeit der Zuschauer irre zu leiten, auch konnte durch einen Magnet nicht eingewirkt werden. Zum Schluß des Spieles machte die Figur auch noch den Rösselsprung (s.d.) von jedem Felde des Schachbretes aus, welches vorher von einem Zuschauer dazu bestimmt wurde. Daß übrigens die Einwirkung auf die Maschine od. vielmehr auf den Arm der spielenden Figur u. ihren Kopf, eine versteckte willkürliche war, beweist auch das Kunststück, welches zuletzt noch gezeigt wurde, indem auf irgend eine willkürliche, der Figur vorgelegte Frage, dieselbe durch Buchstaben, welche ihr vorgelegt waren, u. auf welche sie mit den Fingern deutete, Antwort gab. Unter mehren Schriften, welche über sie erschienen, ist die von J. F. von Racknitz, Lpz. 1789, die befriedigendste. Unter allen denkbaren Hypothesen wurde immer der der nächsten Einwirkung eines innerlich in der Figur versteckten Menschen von sehr kleiner Statur (wie später bekannt wurde, anfänglich von der verwachsenen Schwester, dann dem Sohne des Erfinders) auf die Figur der Vorzug gegeben. Nach dem Tode Kempelens verkaufte sein Sohn die Maschine u. dieselbe befand sich 1812 in Mailand, 1819 in London u. 1822 in Paris.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 15. Altenburg 1862, S. 43.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika