Spielschulden

[550] Spielschulden, im Allgemeinen Verbindlichkeiten, welche aus Anlaß eines Spieles od. bei Gelegenheit eines solchen von einem Spieler eingegangen worden sind. Juristisch wichtig ist dabei die Frage, in wie weit diese Verbindlichkeiten mittelst Klage geschützt sind. Hierbei hat man zunächst zwischen Spiel im engern Sinne u. Wette so wie zwischen dem Römischen u. Deutschen Rechte zu unterscheiden. Im engeren Sinne bedeutet Spiel nur eine solche Übereinkunft, bei welcher zwei od. Mehre nach gewissen Regeln u. unter bestimmt bezeichneten künftigen, jetzt noch ungewissen Umständen einen Gewinn für den Einen od. Einige, dagegen einen Verlust für den od. die Anderen festsetzte: Wette dagegen die bei Aufstellung widerstreitender Behauptungen getroffene Übereinkunft, daß derjenige, dessen Behauptung sich als unrichtig erweisen würde, Etwas als Strafe verwirkt haben solle. Außerdem wird bei dem Spiele in der Regel eine eigene Thätigkeit der Spielenden vorausgesetzt, während die Wettenden sich meist nur leidend verhalten. Bei den Römern unterschied man in den Spielen nur das Glücksspiel, bei welchem der dem Spieler ausgesetzte Gewinn von einem bloßen Glücksfalle (Alea) abhängt, u. die Spiele, wodurch man den Muth übte u. den Körper abhärtete (Ludi, qui virtutis causa fiunt). Die Spiele der letzteren Art waren vollständig erlaubt, u. es konnte daher, wenn um Geld gespielt wurde, was indessen nicht über einen Solidus geschehen sollte, der Gewinn eingeklagt werden. Dagegen waren die reinen Glücksspiele verboten, u. in einem besonderen Gesetze Justinians findet sich wiederholt die gänzliche Ungültigkeit der durch solche Glücksspiele gewirkten Schulden ausgesprochen. Selbst das bereits Bezahlte konnte von dem Verlierenden, u. zwar ausnahmsweise sogar noch innerhalb 50 Jahren, zurückgefordert werden. Verkaufte Jemand beim Spiele einem Anderen eine Sache, um Geld zum Spiel zu erhalten, so wurde dem Käufer das Recht bei etwaiger Eviction (s.d.) auf Ersatz des Werthes zu klagen versagt, u. solche, welche Spieler aufnahmen, konnten keine Schadloshaltung verlangen, wenn ihnen bei der Gelegenheit Schaden zugefügt worden war. Anders entwickelte sich das Recht hierüber in Deutschland. In ältester Zeit, für welche schon Tacitus den Hang der Deutschen znm Spiele bezeugt, scheint hier das Spielen überhaupt völlig erlaubt gewesen zu sein, daher auch eine Beschränkung der daraus hervorgegangenen Verbindlichkeiten nicht stattgefunden zu haben. Erst in den Rechtsbüchern des Mittelalters kommen vereinzelte Bestimmungen vor, welche namentlich in den Städten, wo sich Spielsucht sehr verbreitete, so daß es z.B. in Ulm sogar eigene Karthöfe für Frauenspersonen gab, eine Beschränkung übermäßigen Spieles enthalten. So ist schon im Sachsenspiegel bestimmt, daß die Spielschuld nicht auf den Erben übergehe; in anderen Rechtsquellen findet sich bes. die Beschränkung, daß man nur soviel verspielen dürfe, als man gerade an Geld od. Fahrniß bei sich trage. Seit dem 14. Jahrh. traten hierzu auch in den Stadtstatuten u. Landesordnungen mancherlei polizeiliche u. criminelle Strafandrohungen gegen gewisse Arten von Spielen, namentlich gegen das verderbliche Doppeln u. Würfelspiel u. gegen das hohe Spielen, worunter man dann, in sofern nicht bestimmte Beträge als verboten aufgestellt wurden, im Allgemeinen Spiele verstand, womit man den Pfennig, d.h. Alles, verlieren könne. Durch die letztere Richtung der Gesetzgebung wurde der Gegensatz zwischen erlaubten u. verbotenen Spielen ausgebildet u. unter die letzteren dann allmälig alle Hazardspiele gestellt, bei denen das treibende Element nur die Gewinnsucht ist u. nach der Art des Spieles dem Zufalle die Hauptwirkung auf den Ausgang des Spieles zukommt. Gehört das Spiel zu den verbotenen, so ist in der Regel das gesammte Spielgeld zur Strafe verfallen, nicht blos das auf der Tafel gefundene, sondern auch das im Spiel gewonnene. Selbstverständlich hat daher dabei auch der Spieler keine Klage auf noch nicht bezahlte S., ja es ist die Rückforderung des verspielten Geldes zulässig, insofern nicht die Confiscation dazwischen tritt. Auch aus erlaubtem Spiele wird in der Regel nach den neueren Gesetzen keine Klage auf Spielschuld gestattet, ebensowenig ist da[550] bei Spiel auf Borg klagbar, u. das dazu vorgestreckte Darlehn kann daher nicht zurückgefordert werden; wohl aber gilt für diese Spiele der Grundsatz, daß der Spieler das, was er an fahrender Habe od. Geld bei sich hat u. einsetzt, gültig verspielen kann, u. daß daher wegen einer sofort od. später bezahlten Spielschuld keine Rückforderungsklage gestattet ist, es wäre denn, daß auf der Seite des Gewinnenden eine Betrügerei Statt gefunden hätte. Indessen sind nach einigen Landesrechten ausnahmsweise einige Arten von S. für völlig klagbar erklärt, da man einen Spielvertrag voraussetzt, wie z.B. im Französischen Rechte allgemein bei den Spielen zur Leibesübung, wenn die Spielsumme eine mäßige war, in gleichen bei den unter staatlicher Genehmigung stattfindenden Lotterien u. Ausspielgeschäften: Vgl. Wilda, Die Lehre vom Spiel, in der Zeitschrift für Deutsches Recht, Bd. II., S. 133 ff.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 16. Altenburg 1863, S. 550-551.
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