[620] Visitation (v. lat.), 1) die genaue Untersuchung einer Sache od. Person, daher z.B. die Untersuchung, welche mit der Person eines Gefangenen bei dessen Einlieferung in ein Gefangenhaus stattfindet, od. die Untersuchung aller verdächtiger Orte u. Gegenstände bei einer Haussuchung; 2) eine Untersuchung, welche ein Kirchenoberer entweder selbst od. durch einen Vicar über den Stand der Kirchen, Pfarreien, Schulen u. anderer kirchlicher Institute, so wie über den Wandel u. die Fähigkeiten der geistlichen Personen u. der Gemeinde an Ort u. Stelle vornimmt. Die V. heißt a) eine ordentliche (V. ordinaria), wenn sie zu einer im Voraus festgesetzten, regelmäßig wiederkehrenden Zeit vorgenommen wird, u. b) eine außerordentliche (V. extraordinaria), wenn sie außer der Zeit, vielleicht sogar unangekündigt stattfindet. Nach einer anderen Unterscheidung nennt man auch ordentliche V-en diejenigen, welche von dem Oberen od. dessen Vicar selbst vorgenommen werden, außerordentliche aber die, welche durch andere, speciell dazu ermächtigte Personen stattfinden. Die Einrichtung der V-en findet sich sowohl in der Morgen- als Abendländischen Kirche sehr früh; s.u. Kirchenvisitation. Nach der heutigen Verfassung geschehen die V-en in der Römisch-katholischen Kirche ordentlicher Weise durch die Landdechanten od. Bezirksvicare nach Anleitung der durch die bischöfliche Behörde erlassenen speciellen Instructionen, gewöhnlich auf Grundlage der, von den Pfarrern noch vor dem Visitationstermine nach gewissen verlangten Fragen (Visitationsfragen) erstatteten Berichte (sog. Pfarrrelationen). Außerdem ist aber auch den Bischöfen selbst die V. nach den Vorschriften des Trienter Concils in der Weise zur Pflicht gemacht, daß derselbe mindestens in je zwei Jahren seine ganze Diöeese visitiren soll. Die untergeordneten Visitatoren sind dabei, abgesehen von provisorischen Maßregeln in eiligen Fällen, zu eigenen Verfügungen nur insoweit berechtigt, als ihnen dies ihre besondere Instruction gestattet; in anderen Fällen haben sie die Entscheidung des Ordinariats zu erwirken u. zu diesem Zwecke über die Ergebnisse der V., bald sofort nach derselben, bald aber auch in einem jährlichen allgemeinen Visitationsberichte zu berichten. Der V. des Bischofs sollen nach dem Trienter Concil auch die exemten Capitel, Klöster etc. unterliegen. In der Evangelischen Kirche ist es in der Regel der Generalsuperintendent od. ein Mitglied des Consistoriums, welcher die V-en leitet, od. es ist die V. so getheilt, daß der Generalsuperintendent nur die Ephoralkirchen, der Superintendent die Pfarrkirchen zu visitiren hat. Zuweilen wird auch eine General- u. Specialvisitation in der Weise unterschieden, daß die erstere sich über einen ganzen Verwaltungsbezirk verbreitet, die letztere dagegen nur in einem kleineren Kreise stattfindet. Die neueste Zeit hat das Institut der V-en durch Erlaß neuer Verordnungen (z.B. Hannover 1853, Preußische Instruction für die Generalvisitationen von 1854, Baierische Instruction für die Dekane 1854, Sachsen-Weimarische Visitationsordnung von 1855, Königlich Sächsische von 1856, Sachsen-Altenburgische von 1860) wieder mehr belebt. Hinsichtlich des Verfügungsrechtes der Visitatoren sind dabei im wesentlichen dieselben Grundsätze, wie in der Katholischen Kirche in Geltung, so daß die Visitatoren, wenn es sich nicht blos um Hinweisung auf bestehende Gesetze od. provisorische Anordnungen handelt, nicht selbst zu entscheiden, sondern zunächst an die Consiststorialbehörde zu berichten haben, welche dann entscheidet. Ost besteht dabei die Einrichtung, daß auch die weltlichen Ortsbehörden rücksichtlich der äußeren Angelegenheiten, bes. des Kirchenvermögens, selbst die Patronatsherrschaften an der V. unmittelbaren Antheil zu nehmen haben. Die Visitationskosten sind entweder nach einem gesetzlich bestimmten Satze aus dem Kirchenvermögen u. subsidiarisch von den Gemeinden zu tragen, od. werden aus den Landeskassen bestritten.