Moritz, Churfürst von Sachsen

[172] Moritz, Churfürst von Sachsen, war der Sohn des Herzogs Heinrichs zu Sachsen, und wurde am 21. März 1521 zu Freiberg geboren. Die Jahre seiner Jugend kündigten den großen Mann schon an, den Deutschland einst in ihm finden sollte. Sehr frühzeitig zeigte er viele Talente, eine große Thätigkeit und ein Feuer des Temperaments, welches sich mit den kleinen Besitzungen worein ihn sein väterliches Erbtheil in der Folge setzen sollte, nicht begnügen zu lassen schien. Er besuchte einige Deutsche Höfe, die ausgebreiteter waren als die Hofhaltung seines Vaters, und vermählte sich bei dieser Gelegenheit (1541) mit der Tochter des berühmten Philipps, Landgrafen von Hessen. Da in demselben Jahre sein Vater starb, so übernahm er selbst die Regierung seiner Lande, und überlegte nun, was er bei den großen Uneinigkeiten, worein Deutschland damahls durch Religionsirrungen gesunken war, für ihm zu thun sei. Zwar bekannte er sich selbst zu der Partei der Lutheraner: aber dessen ungeachtet schien es ihm nicht rathsam, die Sache der Fürsten zu unterstützen, die den neuen Glauben mit den Waffen in der Hand vertheidigen wollten; er verweigerte daher (1542) seinen Beitritt zum Schmalkaldischen Bunde, entweder, weil er schon damahls geheime Absichten auf die Churwürde hatte, und sich also dem Kaiser gefällig machen wollte, oder weil er wirklich voraussah, daß die schlechte Organisation dieses Bundes seinen baldigen Fall nach sich ziehen würde. Carl V. der sehr froh war, den tapfern Moritz mit seiner geübten Armee unter der Anzahl der gegen ihn anrückenden Kriegsvölker nicht zu sehen, belohnte ihn mit großen Gunstbezeugungen, unter [172] welchen diejenige, daß er ihn öffentlich aufforderte, sich der Lande des Churfürsten Johann Friedrichs, der bei dem Bundesheere Anführer war, zu bemächtigen, und nachher auf dem Reichstage zu Augsburg ihm am 24. Febr. 1548 feierlich die Churwürde ertheilte, vor allen andern oben an steht. Der Kaiser glaubte durch diese Handlung einen der mächtigsten Deutschen Reichsfürsten für sich gewonnen, und dadurch den ersten Schritt zur Ausführung seines Plans, durch welchen er die Rechte der Deutschen Fürsten vernichten und sich zum unumschränkten Monarchen Deutschlands machen wollte, glücklich vollbracht zu haben. Aber so künstlich er auch immer seine Absicht verbarg, und so anscheinend er das allgemeine Interesse der Katholiken zu beschützen schien, indem er nur sein eignes beförderte; so merkte doch der in den krummen Gängen der Politik wohlerfahrne Moritz sehr bald, was man von Carls Ehrgeitz und Ländersucht zu erwarten hatte. Um also den Protestanten zu zeigen, daß er nicht der feige Verräther sei, für den sie ihn wegen seines Benehmens gegen den Churfürsten Johann Friedrich ausgaben, rüstete er sich im Jahre 1550, da ihm der Kaiser die Vollziehung der Reichsacht gegen die Stadt Magdeburg aufgetragen hatte, zum Kriege, schloß mit König Heinrich II. von Frankreich und einigen Deutschen Fürsten 1551 ein Bündniß gegen den Kaiser, und nahm seine Maßregeln so gut, daß Carl nicht eher etwas davon erfuhr, als bis Moritz ihn (1552) in Inspruck zu belagern drohte. Als Hauptursache dieser unerwarteten Fehde führte Moritz an, daß der Kaiser immer noch seinen Schwiegervater, den Landgrafen Philipp von Hessen, gefangen hielt, ob er gleich dessen Loslassung längst feierlich versprochen hätte. Der Kaiser eilte, durch seinen Bruder Ferdinand Moritzen Vorschläge zur Aussöhnung thun zu lassen; und die Frucht davon war der berühmte Vertrag zu Passau, der am 31. Jul 1552 zu Stande kam. Moritz, der dadurch die Freiheit seines Schwiegervaters erhielt, glaubte nun auch dem Kaiser einen neuen Beweis seiner Ergebenheit bezeigen zu müssen, und wohnte noch in demselben Jahre einem Zuge gegen die Türken bei. Da aber nichts ausgerichtet wurde, so ging er nach Sachsen zurück, und verlor am 9. Juli 1553, zu frühzeitig für seine Lande, in einer Fehde gegen den Markgraf [173] Albrecht von Brandenburg das Leben. Man hat über den wahren Charakter dieses ersten Ehurfürsten in Sachsen von der Albertinischen Linie sehr verschieden, und nicht allemahl glimpflich, geurtheilt. Dessen ungeachtet muß man gestehen, daß er einer der größten Fürsten war, die Deutschland besessen hat – ein Lob, das selbst Johann Friedrich, der gewiß alle Ursache hatte, mit ihm unzufrieden zu sein, ihm nicht streitig machte. Die ganze Lage der Reichsangelegenheiten in der damahligen Zeit entschuldigt sein Betragen, oder mildert wenigstens das ungünstige Licht, welches von einigen Handlungen allerdings auf seinen Charakter zurückfällt. Er war im Felde eben so tapfer, als im Cabinet verschlagen und gewandt. Die Regierung seiner Lande besorgte er selbst; und sogar im Kriege hörte er nicht auf, sich damit zu beschäftigen. Sachsen verdankt ihm die Stiftung der Fürstenschulen zu Meißen, Pforte und Grimme, und die Leipziger Universität viele nützliche Stiftungen (Vergl. den Art. Carl V. und Johann Friedrich).

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 172-174.
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