Moritz August, Graf von Benjowsky

[144] Moritz August, Graf von Benjowsky, ein Mann von rastloser Thätigkeit und von so mannigfaltigen und außerordentlichen Schicksalen, daß man seine Geschichte auf den ersten Blick für einen Roman hält, wiewohl die Echtheit derselben ohne Zweifel zu sein scheint. Er war 1741 in Ungarn geboren. Sein Vater war General in kaiserlichen Diensten. Er ging in die nehmlichen Dienste, und diente im siebenjährigen Kriege bis 1758, da ihn sein Onkel nach Litthauen rief, dessen Güter er erbte. Seine Brüder entrissen ihm sein Vermögen; er flüchtete sich nach Pohlen, wo er nach verschiedenen Reisen den Pohlnischen Conföderationen beitrat, aber endlich von den Russen gefangen wurde. Er entfloh dieser höchst grausamen Gefangenschaft, wurde aber wieder arretirt, und gegen das Versprechen des Grafen von Panin, nach Kamtschatka verwiesen. Auf der Reise nach Kamtschatka rettete er das Schiff; dieser Umstand verschaffte ihm bei dem Gouverneur eine gute Aufnahme, in dessen Hause er in der Folge vielen Eingang fand, und die Kinder desselben in der Französischen und Deutschen Sprache unterrichtete. Hier verliebte sich Aphanasia Nilow, des Gouverneurs jüngste Tochter, in ihn; und ihre Liebe vermochte ihren Vater in der Folge, den Grafen in Freiheit zu setzen und ihn mit derselben zu verloben. Während dessen hatte er schon den Plan entworfen, mit mehrern Mitverschwornen aus Kamtschatka zu entfliehen. Er war nahe daran verrathen zu werden: sogar Aphanasia erfuhr sein Vorhaben; aber sie verließ ihn nicht, sondern beschloß, ihm zu folgen, und warnte ihn vor dem Vorhaben, sich seiner Person zu bemächtigen. Er verließ endlich in Begleitung Aphanasiens, obgleich das treue Mädchen jetzt erfahren hatte, daß er verheirathet sei, im Mai 1771 Kamtschatka. Er wollte nach China segeln, kam aber, nach vielen Mühseligkeiten, die er sowohl von der Natur als von seinen Leuten zu erdulden hatte, auf die Japanische Insel Usmay Ligon, wo man ihn überaus gut empfig. Er mußte sich hier mit einem jungen Frauenzimmer, der Tochter eines Jesuiten, verloben, und den Insulanern [144] das Versprechen zurück lassen, zurück zu kommen und eine Colonie zu errichten; ein Versprechen, das er auch nach seiner Zurückkunft aus China zu halten gedachte. Er segelte nach Formosa, wo er sich selbst durch die glänzendsten Erbietungen nicht halten ließ, von seiner Reise abzustehen. Endlich kam er in die Chinesische Stadt Macao; hier wurden ihm von den Franzosen, Holländern und Engländern Vorschläge gethan. Da er die ersten annahm, so erkauften die Engländer einen Theil der Besatzung seines Schiffes; und Stepanov, ein Russe, machte eine Verschwörung wider ihn, nachdem er schon zehn andere wider ihn angesponnen, aber jederzeit von Benjowsky Verzeihung erhalten hatte. Die Verschwörung mißlang; Stepanov wurde mit 4000 Piastern abgefunden und ging in Holländische Dienste. Viele seine Begleiter starben zu Macao am Fieber, unter denen auch Aphanasia war, die ihrem Geliebten stets treu verblieb. Als Benjowsky mit seinen übrigen Begleitern nach Frankreich kam, wurde er bestimmt, auf der Insel Madagascar ein Etablissement anzulegen; ein Unternehmen, dessen Schwiexigkeit er selbst vorhersah, besonders da der glückliche Erfolg desselben ganz von dem guten Willen der Beamten der Insel Isle de France abhing, an die er wegen des größten Theils seiner Ausrüstung und Unterstützung verwiesen war. Indessen begab er sich auf die Reise, kam im Juni 1774 in Madagascar an, und hielt sich, trotz den Feindseligkeiten des Climaʼs und der Vernachlässigung, die er vom Französischen Ministerio erfuhr, überaus standhaft und klug. Er gewann verschiedene Nationen und Chefs völlig für sich; hierbei kam ihm sehr zu statten, daß eine alte Sclavin ausbreitete, sie habe zuverlässige Merkmahle an dem Grasen entdeckt, daß er der Sohn der Tochter von Rosandrien, Ampansarane Ramini Lazaron, sei (da das Geschlecht der Ramini das herrschende auf Madagascar gewesen, besonders aber die mächtige Nation der Sembarien regiert hatte, von welcher das Andenken desselben noch sehr geehrt wurde). Verschiedene Nationen sandten eine feierliche Gesandtschaft an ihn, und erboten sich, ihn zu ihrem Ampansacabe oder König zu ernennen; der Graf behielt sich jedoch vor, daß er dem König von Frankreich verpflichtet bleiben wolle, bis er seine Entlassung erhalten habe. Dieser Fall trat bald ein, als Französische Commissarien nach Madagascar [145] kamen, die Befehl hatten, sich seiner Person zu bemächtigen, welchen er jedoch auszuweichen wußte. Nachdem er endlich das Commando gänzlich niedergelegt hatte, wurde er im J. 1776 feierlich zum Ampansacabe erklärt; die Weiber schworen seiner Gemahlin (die er schon in Frankreich aus Ungarn hatte kommen lassen) den Unterwerfungseid. In der Folge erklärte er seinen Vorsatz, selbst nach Europa zu reisen, um der Nation einen wichtigen Alliirten und Handlungsaussichten zu verschaffen. Vergebens stellten ihm seine Unterthanen vor, daß er seinen Tod suchen wolle. Es scheint, des Grafen beleidigter Ehrgeitz habe ihn getrieben, Gelegenheit zu suchen, seinen Gegnern die Gerechtigkeit seiner Sache unter die Augen zu stellen. Bei seiner Zurückkunft in Frankreich wurde er durch die Verfolgungen des Franz. Ministeriums genöthiget, in kaiserliche Dienste zu treten, wo er aber nur zwei Jahre blieb, weil ihm der Kaiser zu seinem Plane nicht behülflich sein konnte. Von da wandte er sich an den König von England, ebenfalls vergebens; dafür fand er aber bei Londner Particuliers, und vorzüglich bei einem Handelshause zu Baltimore in Amerika, wohin er segelte, Unterstützung. Im October 1784 reiste er ab, ließ jedoch seine Gemahlin in Amerika zurück. Er landete glücklich auf Madagascar. Da er aber hier Feindseligkeiten gegen die Franzosen anfing, und die Regierung von Belle Isle 60 Mann Soldaten gegen ihn schickte, so wurde er von einer Kugel in die rechte Seite der Brust getroffen, worauf er in wenig Minuten starb. – Benjowsky hat seine Begebenheiten selbst, und zwar Französisch, beschrieben. William Nicholson hat dieselben aus der Handschrift Englisch übersetzt herausgegeben: wir besitzen mehrere Deutsche Uebersetzungen davon; und Herr von Kotzebue hat diesen merkwürdigen Mann auf die Bühne gebracht.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 1. Amsterdam 1809, S. 144-146.
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