Besserungsanstalten

[239] Besserungsanstalten und Besserungshäuser nennt man im Allgemeinen Anstalten, worin moralisch gesunkene, dem Müßiggange, Trunke und andern Ausschweifungen ergebene Menschen, auch solche, die sich leichter Vergehen schuldig gemacht haben, an ein geregeltes, ehrbares und thätiges Leben gewöhnt werden sollen (s. Arbeitshäuser), insbesondere aber Anstalten zur Aufnahme von Kindern, die durch älterliche Verwahrlosung oder andere unglückliche Verhältnisse in lasterhafte Verirrung gerathen, zu nützlichen Gliedern der menschlichen Gesellschaft erzogen werden sollen. Die erste Anstalt dieser Art wurde 1788 in London gegründet, wo die steigende Anzahl junger Bösewichte seit 1824 die Errichtung von vier andern zur Folge gehabt hat. In Deutschland rief Joh. Daniel Falk (s.d.) in Weimar zuerst eine verwandte Idee ins Leben, indem er sich 1813 der in Folge des Krieges älternlos umherirrenden Kinder annahm und einen Verein zum Besten der verlassenen und verwilderten Jugend bildete, der dann eine Schule für diese begründete, aus welcher 1829 das Falk'sche Institut, eine mit dem weimar. Landeswaisenhause verbundene Erziehungsanstalt für verwahrloste Kinder, hervorgegangen ist. Die erste Anstalt mit dem entschieden ausgesprochenen Zwecke der Besserung verwahrloster Kinder stiftete Graf Adalbert von der Recke-Vollmarshausen 1819 in Overdyk in Westfalen und 1822 in Düsselthal bei Düsseldorf. Seitdem sind in den meisten deutschen Ländern theils Vereine, durch welche solche Kinder in achtbaren Familien gegen Vergütung der Kosten untergebracht werden, theils öffentliche Anstalten für ähnliche Zwecke gestiftet worden, unter denen an der 1825 in Berlin errichteten die musterhafteste Einrichtung gerühmt wird. Die meisten solcher Besserungs- und Rettungsanstalten für die sittlich verwahrloste Jugend hat Preußen, wo 27, Würtemberg, wo 17 und das Königreich Sachsen, wo deren drei bestehen, während man in ganz Frankreich nur zwei kennt. Berühmt sind außerdem die in den Vereinigten Staaten von Nordamerika zu Boston, Philadelphia und Neuyork seit 1825 errichteten Anstalten dieser Art, von denen die letztere gegenwärtig 240 Kinder zählt, die, abgesondert in kleinen, wohlverwahrten Kammern wohnend, Tag und Nacht unter sorgfältiger Aufsicht gehalten werden. Jedes Geschlecht hat wieder ein abgesondertes Gebäude, und während die Mädchen mit weiblichen Handarbeiten, in der Küche, mit Strohflechten u.s.w. beschäftigt werden, bearbeiten die Knaben einen großen Küchengarten, machen Schuhe, backen Brot und besorgen andere Geschäfte. Auch verabsäumt man nicht, ihnen den nöthigen Unterricht in Religion und andern Dingen zu ertheilen. Wichtiger noch als bei andern Erziehungsanstalten ist bei solchen Besserungshäusern die Persönlichkeit der Vorsteher und Lehrer, die mit ganz besonderer Umsicht ausgerüstet sein müssen und nie vergessen dürfen, daß es hier vor Allem auf Gesittigung und moralische Bildung und nicht auf bloßes Beibringen von Kenntnissen und Fertigkeiten ankommt, soll anders der Zweck solcher Anstalten nicht verfehlt werden.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 239.
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