Bier

[249] Bier (das) ist ein aus Gerste, Weizen und andern Getreidearten bereitetes, im Allgemeinen gesundes Getränk, welches gewissermaßen die Eigenschaften des Wassers, des Weines und der Speisen vereinigt, indem es den Durst löscht, stärkt und zugleich nährt. Für Erfinder desselben werden die alten Ägypter gehalten, welche schon 1200 v. Chr. in der Stadt Pelusium am östl. Nilufer Bier brauten, das sie pelusischen Trank nannten. Von ihnen lernten es die Griechen kennen, bei denen es 700 v. Chr. unter dem Namen Gerstenwein vorkommt. Auch bei den alten Deutschen war das Bier allgemein gebräuchlich, doch erst im 9. Jahrh. scheint man darauf gekommen zu sein, dasselbe durch Zusatz von Hopfen auf längere Zeit haltbar zu machen und erst im 12. und 13. Jahrh. geschah dies in Deutschland allgemein, in England sogar nicht vor dem 16. Jahrh. Man braute nun sogenannte Lagerbiere, von denen manche sehr berühmt und, wie z.B. das märkische Hopfenbier, bis nach England verführt wurden; auch glaubte man damals durch Zusatz von Honig und Gewürzen das Bier zu verbessern.

Die kunstgerechte Herstellung des Bieres ist die Aufgabe der Brauerei und künstlicher als die Bereitung eines reinen Weines, obgleich sie wie die des letztern von der Gährung abhängt. Das Bierbrauen beruht zunächst auf Gewinnung eines möglichst zuckerhaltigen Auszugs aus dem zum Brauen bestimmten Getreide und aus der Verwandlung desselben durch die weinige Gährung in Bier. Da nun das Getreide im natürlichen Zustande blos einen geringen Theil Zucker, aber viel Stärkemehl und Kleber (s.d.) enthält, welche nicht nur einen Aufguß des Getreides trübe und übelschmeckend machen, sondern auch die Auflösung des Zuckers und dadurch die Gährung hemmen würden, indem nur eine hinreichend zuckerhaltige Flüssigkeit in die Weingährung übergeht; so müssen diese hinderlichen Bestandtheile zuerst durch das Malzen, dann durch das Maischen und Kochen des Getreides so viel als möglich in Zucker und Schleim umgewandelt werden. In dem in Malz (s.d.) verwandelten Getreide bleibt nämlich immer noch viel Stärkemehl und ein Theil Kleber unverändert und das Maischen bezweckt daher neben der Auflösung der schon vorhandenen Zucker- und Schleimtheile des Malzes, von dem übriggebliebenen Stärkemehle und Kleber, durch fortgesetzte Einwirkung des warmen Wassers auf dasselbe in einem verschlossenen Gefäße, noch so viel als möglich in Schleimzucker umzuwandeln. Hierzu wird das Malz durch Schroten oder Mahlen zu grobem Mehl, noch besser aber durch bloßes Zerquetschen zwischen eisernen Walzen auf der Schrotmühle vorbereitet und für die Einwirkung des Wassers geöffnet. Das Maischen selbst geschieht in einem großen, im Verhältnisse zu seinem Umfange flachen Bottiche, der unten weiter als oben ist, damit sich das hineingeschüttete Schrot nicht zu sehr zusammensetze, und der häufig zwei Boden hat, von welchen der obere drei Zoll über dem untern sich befindet und siebartig durchlöchert ist. In diesen Bottich wird das Schrot geschüttet und je nach den verschiedenen Brauarten mit mehr oder weniger warmem Wasser übergossen, welches in dem daneben befindlichen, aber höher angebrachten kupfernen oder eisernen Braukessel erhitzt worden ist. Nachdem man das Malz mit rechenartigen Krücken anhaltend umgerührt und dann eine gewisse Zeit in Ruhe gelassen hat, wird der zwischen den beiden Boden des Bottichs befindliche Hahn geöffnet und die durch das Maischen erhaltene Flüssigkeit, die Würze genannt, in den darunter befindlichen Bierbottich abgelassen, wobei die Getreidehülsen durch den doppelten Boden, oder wenn kein solcher vorhanden ist, durch einen Seiher vor dem Abflusse zurückgehalten werden. Die Würze muß klar abfließen, um gut zu sein und wird dann aus dem untern Bottich in den während dessen von Wasser leer gewordenen Braukessel gepumpt und hier mit dem Hopfen (s.d.) gekocht oder auch blos mit einer vorher gemachten Abkochung desselben vermischt, was dem Biere nicht nur seinen angenehm bitterlichen Geschmack gibt, sondern auch das leichte Eintreten der sauern Gährung der Würze hindert. Die Dauer des Kochens der Würze richtet sich nach den Biersorten und je nachdem sie längere oder kürzere Zeit aufbewahrt werden sollen. Während desselben wird die Würze verdichtet, indem ein Theil des Wassers verdampft, allein auch noch ein Theil des in der Würze aufgelösten Stärkemehls und Schleimes wird während desselben in Schleimzucker verwandelt und ein anderer Theil Stärkemehl durch Verbindung mit dem Gerbestoff des Hopfens zur Ausscheidung bei der nachherigen Abkühlung der Würze geschickt gemacht, was Beides die Haltbarkeit des Bieres und die Klärung der Würze befördert. Hat die Würze genug gekocht, so wird sie durch eine Rinne in das Kühlschiff oder den Kühlstock geleitet, welches ein sehr flaches, dem Zugwinde möglichst ausgesetztes Gefäß ist, in welchem sich die Würze nur wenige Zoll hoch ausbreiten kann und schnell abkühlt, woran besonders gelegen ist, indem bei der großen Fläche, welche sie hier der Luft bietet, durch Aufnahme von Sauerstoff leicht die saure Gährung eingeleitet wird und dann kein gutes Bier wehr erhalten werden kann. Ist die Würze bis zu 10–12° R. abgekühlt, so kommt sie in den Gährungsbottich, der sehr tief und unten weiter als oben ist, um die schädliche Aufnahme von Sauerstoff möglichst zu vermindern, und wird ungefähr mit dem hundertsten Theile Hefe versetzt, welche von ähnlichem Biere herrühren und Oberhefe sein muß. Sechs bis acht Stunden nachher beginnt die Gährung, durch welche ein Theil des in der Würze vorhandenen Zuckerstoffes in Weingeist umgewandelt wird und also die geistigen Theile des Bieres entstehen. Während dieses Vorganges bildet sich auf der Oberfläche der Würze ein milchähnlicher Schaum, der endlich zu einem schaumartigen Berge wird, eine hellbraune Farbe annimmt und die sogenannte Oberhefe bildet, während auf dem Boden sich die Unterhefe sammelt. Das Einsinken des Hefenberges zeigt die Beendigung der Gährung an; die Hefen werden nun mit einem Siebe abgeschöpft, das fertige Bier aber sogleich auf Fässer gezogen, deren Spund noch so lange offen bleibt, als das Bier noch langsam fortgährt und Hefen ausstößt. Um dies zu erleichtern, müssen die Fässer mit reinem. Wasser [249] oder mit Bier desselben Gebräudes fortwährend vollgefüllt werden.

Die große Verschiedenheit der Biere liegt theils in der verschiedenen Güte und den verschiedenen Mengverhältnissen der Grundstoffe, theils in der verschiedenen Behandlungsweise derselben und in örtlichen Verhältnissen, welche mitunter nicht einmal bestimmt angegeben werden können. Daraus geht aber nicht hervor, daß nicht an jedem Orte ein gutes Bier gebraut werden könne, sondern wenn dies nicht gleich gelingt, muß man durch Veränderungen der Mischung und der Behandlungsweise die Art zu ermitteln suchen, auf welche das beste Bier an einem Orte hergestellt werden kann. Auf diesem Wege sind viele, einzelnen Orten eigenthümliche, berühmte Biere entstanden. Die Farbe des Bieres ist von der des Malzes und von der Dauer des Kochens der Würze abhängig. Weiße Biere werden aus Luft- oder Welkmalz oder aus ganz leicht gedörrtem von Gerste und Weizen bereitet. Die größere Verdichtung der zur Gährung gebrachten Würze endlich ist der Grund der Stärke des Bieres. Das engl. Doppelbier oder Ale ist als das stärkste bekannt; nach ihm kommt das seit 1730 erfundene Porter, welches seinen Namen davon hat, daß es anfänglich vorzüglich die Lastträger tranken. Unter die berühmtesten deutschen Braunbiere gehören jetzt das bair. und böhm. Bier, das stettiner, köstritzer, merseburger, die mit Glück an mehren Orten nachgebrauten engl. Biere, die 1492 von Christ. Mumme erfundene und nach ihm benannte braunschweiger Mumme, ein süßes, dem Syrup ähnliches Getränk; der Dukstein u.s.w. Von Weißbieren sind zu erwähnen die goslarsche Gose, der 1526 von Cord Broyhan in Hanover erfundene und nach ihm benannte Broyhan, das berliner und kottbusser Weißbier u.s.w. An manchen Orten wird aus dem schon einmal benutzten Malze noch ein schwächeres Getränk gebraut, das man Nachbier, Dünnbier oder Covent nennt, welcher letztere Name davon herrühren soll, daß in den Klöstern die Obern das beste Bier für sich nahmen, der Convent oder die übrigen Klostermitglieder aber das schlechtere bekamen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 249-250.
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