Kapodistrias

Kapodistrias

[548] Kapodistrias (Joannis Antonios, Graf), Präsident des griech. Staats 1827–31, wurde in einem vornehmen Geschlechte zu Korfu, einer der ionischen Inseln, 1776 geboren und befleißigte sich zu Padua und Venedig des Studiums der Heilkunde.

Indessen hatte Frankreich nach Auflösung der Republik Venedig 1797 der ionischen Inseln sich bemächtigt, und als um diese Zeit K. nach Hause zurückkehrte, fand er seinen Vater in franz. Gefangenschaft und wurde wegen seiner politischen Gesinnung selbst mit Verweisung bedroht. Indeß war er eifrig mit der Befreiung seines Vaterlandes von dem franz. Joche beschäftigt, und als die Franzosen 1799 die ionischen Inseln räumen mußten, gehörte der Vater K.'s zu der Gesandtschaft, welche an den Verhandlungen in Konstantinopel über das fernere Schicksal der sieben Inseln theilnehmen sollte. In der unter engl. und russ. Schutze stehenden, den Türken zinsbaren Republik bekleidete der junge K. bald wichtige Ämter, indem er Mitglied der republikanischen Regierung war. Nachdem er 1802–7 das Amt eines Ministers erst des Innern und dann der auswärtigen Angelegenheiten verwaltet hatte, wurde K., weil Ali Pascha von Janina unter dem Schutze der Republik stehende Städte angegriffen hatte, zum außerordentlichen Bevollmächtigten der Regierung ernannt und ihm der Oberbefehl über sämmtliche Milizen der Republik, sowie über die von dem Festlande geflüchteten Griechen, aus denen die Republik ein eignes Corps gebildet hatte, anvertraut. Bei dieser Gelegenheit wurde K. mit mehren der nachmals im Freiheitskriege ausgezeichnetsten griech. Truppenführer bekannt. Da durch den Frieden von Tilsit 1807 Frankreich zum zweiten Male in Besitz der ionischen Inseln kam und dieselben dem franz. Kaiserreiche einverleibte, so verließ K. den Staatsdienst, lebte einige Zeit auf seinen Gütern und ging endlich 1809 nach Petersburg, wo er in russ. Staatsdienste trat. Er erwarb sich durch seine Pflichttreue und Gewissenhaftigkeit immer mehr die Gunst des russ. Kaisers, nahm an dem Feldzuge gegen Frankreich in diplomatischer Beschäftigung Theil, unterzeichnete als russ. Bevollmächtigter 1815 den zweiten pariser Frieden und wurde 1816 zum Minister der auswärtigen Angelegenheiten Rußlands ernannt. Als sich die Griechen gegen das türk. Joch erhoben und Rußland diese Erhebung misbilligte, legte K. sein Amt 1822 nieder und begab sich nach der Schweiz, wo er die griech. Sache nach seinen Kräften unterstützte und für die Erziehung junger nach der Schweiz geflüchteter Griechen Sorge trug. Er machte später verschiedene Reisen und befand sich 1827 in Paris, als er die Nachricht von seiner Ernennung zum Regenten des griech. Staats erhielt. Er suchte nun ein die Zukunft des jungen Staats begründendes Einverständniß mit Frankreich und England und den übrigen europ. Großmächten zu begründen und ging im Jan. 1828 nach Griechenland, leistete den von ihm gefoderten Eid und übernahm dann die ihm übertragene Gewalt. Griechenland (s.d.) war allzu sehr in Parteiungen zerrissen, als daß es ihm hätte [548] gelingen können, auf eine Alle gleich befriedigende Weise zu regieren. Um mit den Maßregeln, welche er für nothwendig erachtete, kräftig durchdringen zu können, mußte er manche vermeintliche Rechte und Ansprüche Einzelner verletzen, und der Zwist mit der berühmten und angesehenen Familie Mauromichalis, welche sich von ihm auf das tiefste verletzt meinte, brachte ihm endlich den Untergang. Konstantin und Georgios Mauromichalis ermordeten ihn im Oct. 1831, als er eben die Kirche des heil. Spiridion betreten wollte. Er wurde in die Kirche gebracht und verschied bald darauf Am meisten hatte gegen K. der Umstand die Gemüther erbittert, daß er seine Brüder Viaro und Augustin K. mit einer Gewalt bekleidet hatte, durch welche sich Viele zurückgesetzt sahen, und welche jene keineswegs klug zu benutzen verstanden. Der ältere Bruder Viaro, der früher Rechtsgelehrter in Kandia gewesen war, machte sich durch sein despotisches und unkluges Benehmen verhaßt und wurde noch von seinem Bruder 1831 von den öffentlichen Geschäften ausgeschlossen, worauf er sich nach Korfu zurückbegab. Augustin K. hatte sich auch mit dem Studium der Rechtswissenschaften beschäftigt und zeigte in Griechenland mehr Ungeschicklichkeit und Unerfahrenheit als Böswilligkeit. Er begab sich nach seines Bruders Ermordung erst nach Korfu, dann nach Neapel und endlich nach Petersburg.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 548-549.
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