Kopfschmerz

[647] Kopfschmerz ist fast immer nur ein Symptom bald raschverlaufender, sogenannter acuter, bald langwieriger, sogenannter chronischer Krankheitszustände, wie z.B. der meisten Fieber, Entzündungen und fieberhaften Hautausschläge, der Hysterie, Hypochondrie, zuweilen auch der Gicht, Lustseuche u.s.w., mitunter jedoch so vorwaltend, daß er fast allein die ganze Krankheit ausmacht. Dann pflegt er in der Regel fieberlos zu sein, gesellen sich aber ja Fieberbewegungen zu ihm, so sind sie eine erst von ihm hervorgebrachte Wirkung. Der Kopfschmerz bietet zahlreiche Verschiedenheiten dar. Bald ist er über den ganzen Kopf verbreitet, bald nimmt er mehr den Vorderkopf, bald mehr den Hinterkopf ein, bald befällt er nur eine Hälfte des Kopfs, wo er dann Migräne (s.d.), halbseitiges Kopfweh genannt [647] wird, bald beschränkt er sich auf irgend eine Stelle, zuweilen auf einen sehr kleinen Raum, bald ist er stechend, reißend, klopfend, bohrend, spannend, brennend, bald stumpf und drückend und entweder anhaltend und dann zu verschienen Zeiten nachlassend, oder aussetzend und regel-oder unregelmäßig wiederkehrend, leicht, schwer oder auch gar nicht heilbar. Eine besondere Anlage, von Kopfschmerz befallen zu werden, will man bei Personen mit großem, umfänglichem Kopfe, kurzem Halse und platter, enger Brust, insofern sie vermöge dieses Körperbaues zu Blutandrang nach dem Kopfe mehr geneigt sind als Andere, beobachtet haben. Die Ursachen des Kopfschmerzes sind unendlich verschieden, weil er in Begleitung so vieler verschiedenartiger Krankheiten auftritt. Demgemäß ist auch die ärztliche Behandlung desselben verschieden. Aus der Beschaffenheit des Kopfschmerzes selbst kann man häufig einen Schluß auf seine Ursache machen. Um nur einige Beispiele anzuführen, so läßt ein mit Lähmungen, Krämpfen und Zuckungen verbundener Kopfschmerz auf Druck des Gehirns von Wasser, Eiter, ausgetretenem Blute, Geschwülsten und Auswüchsen der innern Schädelplatte u. dgl. schließen, ist ferner ein von allgemeiner oder örtlicher Vollblütigkeit abhängiger Kopfschmerz an den Zeichen dieser oder des Blutandrangs zum Kopfe und an seinen Gelegenheitsursachen zu erkennen, hat ein aus dem Magen stammender gewöhnlich seinen Sitz am Vorderkopfe, ein durch Gicht bedingter meist nur an einer Hälfte des Kopfs, während der hysterische zwar auch oft nur eine Hälfte des Kopfs befällt, oft aber auch sich auf das Hinterhaupt beschränkt und dann von Kälte und dem Gefühle des Zusammenziehens begleitet wird, ist der rheumatische reißend, stechend, ziehend, haftet mehr in den äußerlichen Schädelbedeckungen, macht deutliche Nachlässe u.s.w. Je nach den Umständen können die verschiedenartigsten Mittel gegen den Kopfschmerz erwünschte Dienste leisten, allgemeine und örtliche Blutentziehungen, Ableitungen auf die Haut durch Senfteige, span. Fliegen, Fußbäder, Brech- und Abführmittel, Waschung an der Schläfengegend und im Nacken mit kaltem Wasser oder geistigen Sachen, nervenstärkende Mittel innerlich und äußerlich.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 647-648.
Lizenz:
Faksimiles:
647 | 648
Kategorien: