Militairgrenze

[141] Militairgrenze (die) heißt ein schmaler Landstrich im östr. Kaiserthume, welcher vom adriatischen Meere bis zur Bukowina in einer Länge von 228 M. die Grenze gegen die Türkei bildet, theilweise durch Zweige der karnischen und julischen Alpen und der Karpaten sehr gebirgig ist und von der Donau, Save, Drave, Theis, Temes und mehren andern Flüssen bewässert wird. Dies auf 863 ! M. berechnete Gebiet hat 1,100,000 Einw., wovon zwei Drittheile Slawen, das übrige Wlachen, Ungarn, Deutsche (9000), Griechen, Juden und Zigeuner sind, sich zu verschiedenen christlichen Kirchen bekennen und mit dem ganzen Gebiete unter einer besondern militairischen Verfassung stehen. Zufolge dieser haben die Familien vom Staate das erbliche Nutzeigenthum der Ländereien erhalten, wofür sie nur eine geringe Grundsteuer zahlen, die streitbare Mannschaft aber, welcher Waffen und Uniformen geliefert werden, verbunden ist, die Grenze gegen räuberische Einfälle der türk. Unterthanen und gegen das Einschleppen der Pest zu bewachen und zu schützen, sowie gegen den gewöhnlichen Sold auch außerhalb der Heimat Kriegsdienste zu thun. Die Militairgrenze wird daher auch ganz militairisch verwaltet und ist in Regimentsbezirke eingetheilt, welche unter fünf Generalaten stehen, welche wieder einem Generalcommando, als der höchsten Provinzialbehörde, untergeordnet sind. In gewöhnlichen Zeiten befinden sich von dieser immerwährenden Grenzwache gegen 45,000 M. unter den Waffen, welche Zahl aber im Nothfalle schnell verdoppelt werden kann. Eine Abtheilung dieser auch schlechthin Grenzer genannten Mannschaften [141] ist besonders dazu bestimmt, auf bewaffneten leichten Fahrzeugen (ungar. Csaika genannt) den Verkehr auf der Donau, Theis und Save zu schützen und zu bewachen, wovon sie Tschaikisten genannt werden. Außer dem Dienste sind Landwirthschaft und die dabei unentbehrlichsten Gewerbe die Beschäftigung des Grenzers und seiner Familie, von denen gewöhnlich mehre verwandte in einem Grenzgehöft unter einem Familienhaupte zusammen Haus halten; der höhere Gewerbfleiß ist auf die wenigen Städte beschränkt. Das Klima und die Landesproducte sind die gewöhnlichen der angrenzenden Länder.

Die Militairgrenze zerfällt in folgende vier Haupttheile: die kroatische Militairgrenze mit der militairischen Seestadt Zengh oder Seni mit 5000 Einw., am adriatischen Meere, die lebhafte Handelsverbindungen mit Italien unterhält, und der Festung und Stadt Petrinia mit 3000 Einw., an der Kulpa. In der slawonischen und der sirmischen Militairgrenze nebst dem Bezirke des Tschaikistenbataillons liegt die Festung Peterwardein, der Sitz des Generalcommandos mit 3900 Einw. (meist Deutsche), an der Donau, über welche hier eine 360 Schritt lange Schiffbrücke nach dem gegenüberliegenden Neusatz führt; die Festung Semlin mit 9000 Einw. unweit der Vereinigung der Save und Donau, ist als Mittelpunkt des Handels zwischen Wien und Konstantinopel die Hauptniederlage deutscher und türk. Waaren; Carlowitz mit 5800 Einw. an der Donau, merkwürdig durch den am 2. Jan. 1699 daselbst mit den Türken geschlossenen, für Östreich vortheilhaften Frieden; an der Save liegt die Festung und Stadt Brod mit 3600 Einw. und am Einflusse der Theis in die Donau das Dorf Titul, der Hauptort des Tschaikistenbezirks, mit Werften und einem großen Zeughause. In der ungar. Militairgrenze oder Banatgrenze sind zu bemerken: die Stadt Weißkirchen mit 5000 Einw.; die Festung Pancsowa mit 9000 Einw., an der Vereinigung der Temes und Donau; Karansebes mit 2300 Einw., und das befestigte Dorf Uj- oder Neu-Palanka, an der Donau. Weniger abgesondert vom angrenzenden Gebiete ist die siebenbürg. Militairgrenze mit den fünf Marktflecken: Dobra; Szeklerburg; Neumarkt, in dessen Nähe der sogenannte Stinkberg liegt, aus dessen Öffnungen Schwefeldämpfe steigen; Berezk; Hatzeg, und 66 Dörfern. Die Gründung der Militairgrenze fällt in die Mitte des 16. Jahrh., wo sie sich aber nur über die kroatische Grenze erstreckte; im 17. Jahrh. ward dieselbe Einrichtung auf die slawonische und ungar., seit 1764–66 erst auf die siebenbürg. Grenze ausgedehnt.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 141-142.
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