Nantes

[238] Nantes, die am rechten Ufer der Loire, einige Meilen von ihrer Mündung ins atlantische Meer schön gelegene Hauptstadt des franz. Departements der Niederloire und zugleich einer der bedeutendsten Handelsplätze von Frankreich, ist gut gebaut und hat 75,000 Einw. Ein vorzüglicher Stadttheil ist der Kai oder die Vorstadt la Fosse, welche sich eine halbe Stunde weit am Ufer hinzieht, das von schönen Baumgängen und großen Gebäuden und Waarenhäusern eingefaßt ist. Unter den öffentlichen Plätzen ist besonders der Königsplatz zu nennen; zu den merkwürdigen Gebäuden gehören: das 938 erbaute, von gewaltigen runden Thürmen flankirte alte Schloß, welches jetzt zum Pulvermagazin dient; die nicht vollendete Kathedrale mit dem 1507 verfertigten kunstreichen Grabmale Franz II. letzten Herzogs von Bretagne; die St.-Nicolaskirche mit berühmten Glasmalereien, welche die 56 Wunderwerke Christi vorstellen und die 1812 erbaute Börse. N. ist der Sitz eines Bischofs, einer Münze, einer öffentlichen Gemäldesammlung, einer Seeschule und anderer Bildungsanstalten; mancherlei Fabrikwesen, Schiffbau und mit der Schifffahrt zusammenhängende Gewerbe, Sardellenfang und ein ausgebreiteter Land- und besonders Seehandel, der allein gegen 800 der Stadt gehörige Schiffe beschäftigt und nach dem nördl. und westl. Europa und nach Amerika sicher streckt, sind Hauptnahrungsquellen der Bewohner. N. ist sehr alt und war schon vor den Römerzeiten ein wichtiger Ort; im 9. Jahrh. ward es mehrmals von den Normannen verheert und kam 1491 durch Vermählung von Anna, Erbin von Bretagne, mit Karl VIII., an Frankreich. Im J. 1598 erließ hier Heinrich IV. jenes Edict, welches den Reformirten die freie Ausübung ihrer Religion gestattete, durch die 1685 von Ludwig XIV. verfügte Aufhebung aber erst als Edict von Nantes recht berühmt wurde und starke Auswanderungen der Verfolgten nach Holland, Deutschland und England nach sich zog. Während der franz. Revolution von 1789 hatte N. von dem bis vor seinen Thoren geführten Vendéekrieg, insbesondere aber während der Schreckenszeit von dem Verfolgungseifer des berüchtigten Conventsmitglieds I. B. Carrier zu leiden, welcher Tausende von Menschen dort grausam hinrichten ließ und die sogenannten republikanischen Hochzeiten einführte, bei denen immer ein Mann und ein Weib zusammengebunden ertränkt wurden, der aber 1794 endlich selbst unter der Guillotine starb.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 238.
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