Radziwill

[618] Radziwill heißt eine der ältesten lithauischen Familien, deren Vorfahren schon vor der Vereinigung von Lithauen zu einem Großfürstenthume dort ansehnliche Gebiete besaßen und von denen der erste Abkömmling mit Namen R. 1405 als Marschall von Lithauen vorkommt und mit dem Großfürsten Jagello und nachherigen Könige von Polen (s.d.) im J. 1386 das Christenthum annahm. Eine Linie der R. erhielt 1518 vom Kaiser Maximilian I. die reichsfürstliche Würde, welche nach dem Erlöschen jener von Kaiser Karl V. im J. 1547 auf zwei andere, die 1669 erloschene Linie der Fürsten von Birze und Dubinki, und die Fürsten von Olyka und Nieswiesz, Nikolaus IV. und Johann, übertragen wurde, was der König Sigismund August von Polen auf dem Reichstage von 1549 bestätigte. Dieser Nikolaus IV., genannt der Schwarze, war Wojewode von Wilna und Gesandter bei Karl V., trat zur reformirten Kirche über, starb 1567 und ist der Stammvater des noch bestehenden fürstl. Hauses. Seine drei Söhne kehrten jedoch zur katholischen Kirche zurück, die durch sie gebildeten Linien aber sind bis auf die des Christoph Nikolaus, gest. 1616, erloschen, aus der in neuester Zeit Anton Heinrich R., Fürst zu Olyka und Nieswiesz, geb. 1775, seit 1796 mit der einzigen Tochter des Prinzen Ferdinand von Preußen vermählt, von 1815 bis an seinen zu Berlin 1833 an der Cholera erfolgten Tod Statthalter des Großherzogthums Posen war. Mit der seinen, geselligen Bildung des Weltmanns verband er gründliche wissenschaftliche und Kunstkenntnisse und als Tonsetzer namentlich hat er sich durch seine Musik zu Göthe's Faust ausgezeichnet. Von seinen Kindern ist nur der erstgeborene Sohn, Wilhelm R., geb. 1797, welcher im preuß. Heere dient, und dessen jüngste Schwester, geb. 1813, vermählt mit dem Fürsten Czartoryiski, noch am Leben. – Sein zweiter Bruder Michael Geron R., geb. 1778, kämpfte 1792–94 unter Kosciuszko für die Unabhängigkeit Polens, bekam bei dem von Wybicki und Dombrowski (s.d.) 1807 veranlaßten Aufstande ein Regiment und wurde von Napoleon während des Feldzugs von 1812 gegen Rußland auf dem Schlachtfelde zum Brigadegeneral ernannt. Nach der Abdankung Napoleon's lebte er auf seinen Gütern in Polen, wurde aber während der Revolution von 1830 am 21. Jan. 1831 zum Oberfeldherrn an die Stelle Chlopicki's erwählt, der ihm jedoch zur Seite blieb, bis er am 25. Febr. bei Praga verwundet wurde (s. Polen), worauf durch R.'s eignen Betrieb am folgenden Tage der Oberbefehl an Skrzynecki übertragen wurde. Nach der Einnahme von Warschau durch die Russen wurde R. ein Aufenthaltsort im Innern von Rußland angewiesen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 618.
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