Posen

[546] Posen (das Großherzogthum) bildet eine der östl. Provinzen des preuß. Staats, wird von Westpreußen, Brandenburg, Schlesien und dem Zarthum Polen begrenzt und zählt auf 5361/2 ! M. über eine Mill. Einw. Früher ein Theil des unabhängigen Königreichs Polen, erwarb Preußen zuerst 1772 bei der ersten Theilung jenes Landes den nördl. von der Netze liegenden Landstrich, bei der zweiten poln. Theilung aber 1793 das Übrige, und diese Gebiete führten nun mit dem 1795 bei der gänzlichen Auflösung Polens dazu gekommenen den Namen Südpreußen, mußten aber 1807 an das von Napoleon neugegründete Herzogthum Warschau abgetreten werden. Durch den wiener Congreß ward aber auch dieses wieder aufgelöst und davon die jetzige Provinz P. als ein Großherzogthum an Preußen zurückgegeben. Das ganze Gebiet desselben ist eine blos von einzelnen Hügeln unterbrochene Ebene, in mehren Gegenden zwar sandig, im Ganzen jedoch und vorzüglich in den Niederungen (Brüchen) an der Netze und Wartha fruchtbar. Beide Flüsse kommen aus Polen und die schiffbare, bei Küstrin in die Oder mündende Wartha nimmt hier die Prosna und die schiffbare Netze auf, welche durch den vier Meilen langen, von Friedrich II. 1773 angelegten bromberger Kanal mit der schiffbaren Brahe und durch diese mit der Weichsel verbunden ist. Von vielen kleinen Landseen ist der Goplo- oder Gopler-See der ansehnlichste. Haupterzeugnisse dieser Provinz sind Getreide, Flachs und Hülsenfrüchte, Holz aus den umfänglichen Waldungen und Vieh; der Gewerbfleiß, welcher vorzüglich durch den kleinern deutschen Theil der meist aus Polen, welche sich zur katholischen Religion bekennen und gegen 100,000 Juden bestehenden Bevölkerung blüht, liefert viel ordinaire Tuche, Leinwand, Spitzen; auch werden Papier-, Glas-, Taback- und Cichorienfabriken betrieben und der Handel, den drei wichtige Märkte der Stadt Posen befördern, ist beträchtlich. Die Provinz zerfällt in die Regierungsbezirke Posen und Bromberg und die Hauptstadt des ersten ist Posen, poln. Poznan, mit 27,000 Einw., in einer sandigen Gegend meist am linken Ufer der Wartha gelegen, über welche eine Brücke nach der großen Vorstadt Wallischay führt. Posen ist eine von den ältesten Städten des ehemaligen Polens, war schon im 10. Jahrh. der Sitz eines Bisthums, im 13. Jahrh. die Residenz poln. Herzoge und stand später mit der Hanse in Verbindung, was viel deutsche und andere fremde Kaufleute dahin zog. Sie ist im Ganzen auf deutsche Art gut gebaut, hat nach dem großen Brande von 1803 an Regelmäßigkeit sehr gewonnen und erregt schon von fern durch ihre hohen Gebäude und zahlreichen Thürme besondere Aufmerksamkeit, von denen der des gothischen Rathhauses auf dem großen Markte der höchste ist. Von den Kirchen zeichnet sich der ungewöhnlich einfache Dom, neben welchem sich der Palast des hier residirenden katholischen Erzbischofs von Gnesen und Posen befindet, und die ehemalige Jesuiten-, jetzt St-Stanislauskirche aus; [546] ein dazu gehörig gewesenes Jesuitencollegium ist jetzt der Sitz der Regierung. Der Oberpräsident der Provinz und ein evangelischer Bischof haben ebenfalls ihre Wohnsitze in Posen, das neben den geeigneten Bildungsanstalten auch eine öffentliche Bibliothek von 20,000 Bänden besitzt, welche der Graf Raczynsky mit einem schönen Palaste und einem Capitale von 20,000 Thlr. der Stadt zum Geschenk gemacht hat. Im Dec. 1806 wurde hier der Friede zwischen Napoleon und Sachsen abgeschlossen und seit 1828 hat man angefangen, die Stadt durch eine Umgebung von einzelnen großen Forts zu befestigen. Zu den wichtigern Orten dieses Regierungsbezirks gehören noch: Meseritz mit 4500 Einw. und wichtiger Tuchfabrikation; Obersitzko mit 2000 Einw. und dem Landwehrzeughaus auf einer Warthainsel; Schwerin an der Wartha mit 4000 Einw.; Babimost oder Bomst mit 2000 Einw., welche viel Obst-und selbst Weinbau treiben; Fraustadt mit 6000 Einw.; Polnisch-Lissa mit 8000 Einw., davon beinahe die Hälfte Juden; Rawicz mit 8000 Einw.; Pleszew mit 3000 Einw. und einer Quarantaineanstalt für das aus Polen kommende Vieh; Krotoszyn mit 6000 Einw., der Hauptort des gleichnamigen Fürstenthums, welches der Fürst von Thurn und Taxis 1819 zur Entschädigung für das Postregal in den von Preußen damals unlängst neuerworbenen Provinzen am rechten Rheinufer erhielt; Ostrowo mit 4000 Einw.; Gräz oder Gradzick mit 3300 und Kempno oder Kempen an der Prosna, mit gleichvielen, meist jüd. Bewohnern, die beträchtlichen Handel nach Schlesien treiben. Der bromberger Regierungsbezirk hat seinen Namen von der gut gebauten Stadt Bromberg mit 6700 Einw. an der Brahe und dem Anfange des bromberger Kanals. Sie ist der Sitz einer Regierung und anderer hohen Behörden, hat eine Zukersiederei, mehre Fabriken und einigen Handel. Inowrazlaw oder Jungbreslau hat 4300, das als Heimat der Piasten (s.d.) merkwürdige Kruswica am Goplosee 250 Einw.; Schönlanke hat 4060, Schneidemühl 3200, das alte, zwischen Seen und Hügeln gelegene Gnesen oder Gniezno 6000 Einw. Im hiesigen Dom wird der Leichnam des h. Woyciech oder Adalbert (s.d.) aufbewahrt; bis 1320 wurden die poln. Könige hier gekrönt und der Erzbischof von Gnesen war als Primas des ehemaligen Polens der Nächste nach dem Könige und Reichsverweser während der jedesmaligen Erledigung des Thrones.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 546-547.
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