Tancred

[361] Tancred, nächst Gottfried von Bouillon der ausgezeichnetste Held des ersten erfolgreichen Kreuzzugs, war ein Sohn des Markgrafen Odo oder Ottobonus und wurde 1078 geboren. Durch seine Mutter war er mit dem berühmten Normannenherzoge Robert Guiscard in Apulien und Calabrien verwandt. Dessen ältester Sohn Bohemund war T.'s Freund und Waffenbruder, und nahm mit diesem zusammen 1095 das Kreuz. T. sammelte eine große Anzahl von Rittern um sich und überließ seinem jüngern Bruder sein Erbtheil. Mit Bohemund ging T. 1096 zu Schiffe, landete in Epirus und durchzog Macedonien. Auf kurze Zeit veruneinigten sich die Freunde, weil Bohemund, um den mistrauischen Angriffen des griech. Kaisers ein Ende zu machen, diesem den Lehnseid leistete. In der Ebene von Chalcedon traf T. mit Gottfried von Bouillon zusammen. Er zeichnete sich besonders in der Schlacht bei Doryläum aus und zog dann dem Kreuzheere voraus auf Jerusalem zu. Mit Gottfried's habsüchtigem Bruder Balduin, welcher ihn begleitete, gerieth er trotz seiner edelmüthigen Gesinnung in Zwiespalt, sodaß es sogar zum Kampfe zwischen ihnen kam. In den Bedrängnissen, welche das Heer der Christen trafen, war er stets zu Beistand und Rettung bereit, und als man endlich vor Jerusalem ankam, war er einer der Ersten, welche siegreich vordrangen. Er erstürmte ein vorspringendes Gebäude, welches noch jetzt nach ihm der Tancredsthurm genannt wird. Als der Sultan von Ägypten mit einem Heere herbeieilte, um Jerusalem wieder zu erobern, schlug ihn T. und eroberte in der Schlacht bei Askalon das feindliche Lager. Er war eifrig bemüht, die Macht der Christen auszubreiten, und suchte nach Gottfried's Tode die Wahl Bohemund's zum Könige von Jerusalem durchzusetzen, was ihm jedoch mislang, und Balduin, welcher die Krone erhielt, foderte T., welcher eben im Kampfe gegen den Emir von Damaskus begriffen war, zur Rechenschaft. T., der als Fürst von Galiläa von seinen Untergebenen allgemein geliebt wurde, kehrte sich nicht an Balduin und war nur bemüht, Bohemund in seinem Fürstenthum Antiochien zu befestigen, welches ihm auch gelang. Er beschirmte Antiochien, als Bohemund nach Europa ging, um neue Streiter zu werben. Bohemund starb zu Salerno, seine Truppen zerstreuten sich und T. selbst starb 1112, nachdem er zuvor noch einmal siegreich gegen den Sultan Mauduhd gekämpft hatte. Er wird noch jetzt als Musterbild aller ritterlichen Tugenden genannt.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 361.
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