Calabrien

[363] Calabrien, ein Theil des Königreichs Neapel, umfaßt den südlichsten und westlichsten Theil der ital. Halbinsel und bildet eine schmale, gebirgige, 58 St. lange, 7–20 St. breite, westl. vom tyrrhenischen, östl. vom ionischen Meere begrenzte Landzunge, welche auf 320 ! M. nur gegen eine Mill. Einw. zählt. Die Apenninen durchziehen C. der Länge nach, bilden in dem Vorgebirge Spartivento die südlichste Spitze Italiens und tragen auf ihrem Rücken herrliche Wälder von Nadelholz, Eichen, Kastanien, Platanen, Eschen, die eine Art Gummi, das sogenannte calabrische Manna, liefern, und der im Alterthume schon berühmte Silawald nimmt allein 10 ! M. ein. Zugleich entspringen auf ihnen eine Menge kleiner Gewässer, welche nebst dem regelmäßigen und reichlichen Thau bewirken, daß trotz der großen Sommerhitze das Grün der Fluren fast nie verwelkt. Der vulkanische, von. Erdbeben häufig erschütterte Boden erzeugt ungeachtet der nachlässigen Cultur in den Thälern und an den Bergabhängen die feurigsten Weine, die ausgezeichnetsten Südfrüchte Italiens, Öl in großer Menge, auch Seide wird gewonnen und Dattelpalmen und Aloe wachsen hier im Freien. Reich ist C. ferner an Rindvieh und Schafen, auch zieht man schöne Pferde, Wildpret liefern die Wälder, Fische das Meer in Menge, und Alabaster, Marmor, Kreide, Steinsalz, Alaun, Kupfer gehören zu den Producten des Mineralreiches, welche aber, sowie im Allgemeinen die Vortheile des Landes, die träge und unwissende Bevölkerung nicht zu benutzen versteht. Roheit und Fanatismus herrschen jetzt in diesem, im Alterthume zu Großgriechenland gehörenden Lande, der Heimat eines Praxiteles, Agathokles (s.d.) und anderer berühmter Männer, und die Calabresen, vorzüglich das Landvolk, sind die verwildertsten Unterthanen des neapol. Reiches, obgleich sie kaum 40 St. von seiner Hauptstadt entfernt wohnen. Sie besitzen jedoch eine gewisse Gutmüthigkeit, sind gastfrei, ehrliebend, allein auch aufbrausend und, wie gewöhnlich rohe Menschen, zu Räubereien geneigt. Die Kleidung der Hirten und Bauern besteht meist aus einem großen Schafpelz, der bis auf die halben Schenkel reicht, aus kurzen Beinkleidern und Schuhen und einem schwarzen, spitzigen, breitränderigen Hute; wer mit Pferden zu thun hat, trägt am rechten Fuße einen Sporn.

Das Land wird in die Provinzen Calabria citeriore, d.h. das diesseitige, und Calabria ulteriore I und II, d.h. das erste und zweite jenseitige, eingetheilt. Die Hauptstadt der ersten und nördlichsten ist Cosenza mit 15,000 Einw., am Fuße des Silawaldes in einer herrlichen Ebene und am Busiento gelegen, in dessen Bett Alarich (s.d.) begraben wurde. Die Stadt ist schlecht gebaut, treibt aber viel Handel und ist sehr belebt, indem die meisten Bewohner der umliegenden zahlreichen Ortschaften den Tag über dort beschäftigt sind. In den beiden andern südl. Provinzen sind zu bemerken: Reggio, seit es nach der 1783 durch Erdbeben erlittenen Verheerung wiederhergestellt worden, auch St.-Agata della Galli genannt, mit 17,000 Einw., liegt am Kanal von Sicilien und hat einen unsichern Hafen; Catanzaro mit 11,000 Einw.; die Hafenstadt Crotone; Monteleone mit 6000 Einw. und Pizzo mit 5000 Einw., die viel Fischerei treiben, an der Westküste am Meerbusen von St.-Eufemia, das seit dem 16. Oct. 1815 zufolge eines kön. Beschlusses die allergetreueste Stadt heißt, auf ewige Zeiten von allen bürgerlichen und Verbrauchssteuern befreit ist und seinen jährlichen Salzbedarf umsonst erhält, weil die Einwohner den am 13. Oct. 1815 hier gelandeten Joachim Murat (s.d.) gefangen nahmen, weshalb auch die Stadtbehörden die zum Gedächtniß dieses Ereignisses geschlagene Medaille tragen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 363.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: