Calabrien [1]

[557] Calabrien (Calabrĭa), 1) (a. Geogr., bei den Hellenen Anfangs Japygia, Messapia u. Salentina), Landschaft SItaliens, von Tarent od. von dem Hafen Sasina auf einer u. von Brundisium auf der anderen Seite bis zum Vorgebirge Japygium; im engeren Sinne der östliche Küstenstrich von Turris Caesaris bis Portus Tarentinus; 2) (n. Geogr.), Theil des Königreichs Neapel; getheilt in: a) Calabria citeriore (Calabria citra, Provincia di Cosenza), nördlich an die Provinz Basilicata, östlich an den Busen von Tarent u. westlich an das Tyrrhenische Meer stoßend; gebirgig durch die Südapenninen, die hier eine Hochebene von 4200 Fuß Höhe bilden; dieselbe fällt in ihrem Westrande steil gegen das Meer ab mit den Caps Scalca u. Cetraro; östlich dacht sie sich sanfter gegen den Busen von Tarent ab, an dem das Land zur Ebene von Cosenza sich gestaltet, u. wird in dieser Richtung von dem Crati mit Moscile durchflossen; hier sind die Caps del Roseto u. del Tronto. Klima gesund, doch durch den Sirocco bisweilen beschwerlich, der Sommen überhaupt sehr heiß; doch fällt sehr starker Thau u. nährt eine herrliche Vegetation; man baut Getreide (hinreichend), Hülsenfrüchte, Flachs, schlechte Baumwolle, Tabak, Süßholz, Wein (Calabreser), Rosinen (Calabreser Rosinen, s.u. Rosinen), viel Öl Südfrüchte, Seide, Manna (von der Mannaesche), treibt Viehzucht (Schafe), Fischerei, Bergbau auf Eisen, Steinsalz; ferner sind Schwefel, Alabaster, Gyps, Marmor, vorzüglicher Töpferthon Ausfuhrartikel; die Industrie ist unbedeutend; 1233/1 QM., 450,900 Ew.; b) Calabria ulteriore (C. oltra, Südliches C., Provincia di Cantazaro), südlich von der vorigen; die Fortsetzung der Südapenninen gestaltet diese Provinz zu einer zweiten Hochebene, erhebt sich im Monte Aspropotamo bei Reggio zu 4110 Fuß Höhe u. tritt mit den stark bewaldeten u. schwer zugänglichen Abfällen so nahe an das Meer, daß es nicht einmal einen Küstenpfad gibt, endigt südlich am Meere in den Caps Pelaro u. Spartivento, wird von Sicilien durch die Meerenge von Messina getrennt, hat vulkanischen Boden, ist namentlich auf der westlichen Küste häufigen Erdbeben (1638–41, schrecklichstes 1783), so wie den glühenden Sonnenstrahlen des Sommers u. den heißen Winden Sirocco u. Libecchio ausgesetzt, wozu noch die Landplagen der Heuschrecken u. Moskitos kommen; hat nur Küstenflüsse, worunter der Neto, Mesimo, Tacina u. Alaro die bedeutendsten sind; ungemein fruchtbar an Getreide, Hülsenfrüchten, Buchweizen, Baumwolle, Tabak, Süßholz, Melonen, Spargel, Artischocken, Salbei, Wein (Contersa, Monte Leone, Sciglio), Öl, Südfrüchten u. dgl. Die Bodencultur ist vernachlässigt, ansehnlicher die Viehzucht, bes. der Schweine, Ziegen, Schafe, Pferde, Esel, Maulesel, Seidenwürmer, Bienen, beträchtlich die Fischerei von Sardellen, Anchovis u. Thunfischen. Die Industrie beschäftigt sich mit etwas Schifffahrt, doch meist nur an der Küste. Calabria ulteriore zerfällt in Calabria ulteriore I, nördlich, 1033/5 QM., mit 327,600 Ew. u. südlich davon Calabria ulteriore II, 971/2 QM., 388,400 Ew. In ganz C. wird der Calabreser Wein[557] ein lieblicher u. starker, weißer od. kirschrother Wein, gebaut; Sorten sind: Borgia, S. Elia, Giraco, Montano, Nicastro, Castiglione, Nicotera, Rosarno, Laureano, Rogliano, S. Biaggio, S. Eufemio, Donnici etc.; er ist in Italien sehr beliebt, geht auch nach Frankreich. Der Calabrese ist stark, wohlgebildet, tapfer u. so gefährlich er auch oft, bes. in Romanen, geschildert wird, weniger zu fürchten als andere Italiener, aber an Gesittung zurück, der Trägheit, Leidenschaft u. bei der drückendsten Armuth dem Kartenspiel leidenschaftlich ergeben. – C-s Ureinwohner, die Japygier, Messapier, Salentiner, Calabrer, sollen illyrischen Ursprunges gewesen sein, indessen hatten sich schon früh hellenische Colonien über die Küsten u. das Binnenland verbreitet; dasselbe bildete einen Theil von Graecia magna. In der Folge wurde es von den Römern unterjocht u. gehörte nach der Theilung zum Oströmischen Reiche. 827 eroberten es die Sarazenen u. blieben, trotz dem, daß es Kaiser Nikephoros II. als Heirathsgut seiner Tochter an Kaiser Otto's I. Sohn abtrat u. der Kaiser es zu erobern strebte, Herren des Landes, bis Robert Guiscard im 11. Jahrh. sie daraus vertrieb. Er nannte sich seit 1059 Herzog von C. u. Apulien, s. Apulien (Gesch.). Durch Erbschaft kam es (um 1150) an Roger II., König von Neapel u. Sicilien, dann mit Sicilien an Neapel u. blieb seitdem integrirender Theil dieses Königreichs. Wegen der gebirgigen Beschaffenheit machte C. u. die Abruzzen den verschiedenen fremden Invasionen viel zu schaffen, bes. that 1799 der Cardinal Ruffo von hieraus den Franzosen viel Schaden; s. Neapel (Gesch). Der Kronprinz von Neapel führt gemeiniglich den Titel Herzog von C.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857, S. 557-558.
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