Thau

[398] Thau ist der bekannte atmosphärische Niederschlag, welcher sich besonders im Sommer an der Oberfläche des Bodens, vorzüglich an Pflanzen während der Nacht in Gestalt von Tropfen zeigt. Die Ursache der Thaubildung ist die Wärmeausstrahlung aller auf der Erdoberfläche zerstreuten Körper gegen den Himmel, wobei sich dieselben, wenn des Nachts durch die Sonnenstrahlen keine neue Wärme aus den Körpern entwickelt wird, in sehr verschiedenen Graden abkühlen. Im Allgemeinen entsteht zwischen den festen Körpern der Erdoberfläche und der atmosphärischen Luft eine Temperaturdifferenz, indem die festen Körper mehr erkalten als die Luft. Da nun die Luft immer mit Wassertheilchen geschwängert ist, welche sich an allen kalten Gegenständen niederschlagen, indem sie nur bei einem entsprechenden Temperaturgrade in dampfförmiger Gestalt sich erhalten, so muß natürlich auch unter den obenangegebenen Verhältnissen ein Niederschlag des in der Luft enthaltenen Wasserdampfes an den Gegenständen der Erdoberfläche erscheinen. Dieser Niederschlag ist der Thau, der um so reichlicher fällt, je größer die angegebene Temperaturdifferenz ist, welche durch ruhige und heitere Nächte begünstigt wird. Das Princip, auf welchem die Thaubildung beruht, kann man durch einen sehr einfachen Versuch augenscheinlich machen. Wenn man ein mit frischem Wasser gefülltes Glas in ein ziemlich warmes Zimmer bringt, so überzieht sich die äußere Oberfläche des Glases sogleich mit einem wässerigen Niederschlage aus der Luft des Zimmers. Auch das Beschlagen der Fenster mit Feuchtigkeit, welches sogleich erfolgt, wenn die Luft draußen sie ab. kühlt, gehört hieher. Zur Messung der Menge des Thaus bedient man sich der Thaumesser oder Drosometer, welche im Allgemeinen aus einer empfindlichen Wage bestehen, an welcher zwei Körper ins Gleichgewicht gebracht sind, von denen der eine den Thau sehr leicht annimmt (z.B. gezupfte Wolle, Haare), während der andere unempfänglich für denselben ist. Der Thau bewirkt dann einen Gewichtsunterschied der vorher gleichwiegenden Körper, nach welchem sich die Menge des Thaus bestimmt. Ein sehr reichlicher Niederschlag von Thau zeigt immer an, daß die Atmosphäre reichlich mit Wasser geschwängert ist, daß also nur die geeigneten Umstände (schnelle Abkühlung der Luftmasse) eintreten dürfen, um Regen zu erzeugen. Bei bewölktem Himmel erfolgt wenig Thau, weil dann die bedingende Ursache, die Wärmeausstrahlung, gering ist; ebenso wenig läßt der Wind eine starke Thaubildung zu, weil er die schnelle Verdünstung des sich bildenden Niederschlags zur [398] Folge hat. Es wurde wiederholt bemerkt, daß sich an verschiedenen Körpern der Thau in verschiedener Menge niederschlage, namentlich zeigen Metalle eine große Unempfänglichkeit für den Thau. Die Ursache ist jedenfalls, weil die Metalle so leicht die Temperatur ihrer Umgebung annehmen, sodaß zwischen ihnen und der Luft eine bedeutende Temperaturdifferenz nicht zu Stande kommen kann. Die Vereinigung, daß sich der Thau besonders nur des Abends und Morgens niederschlage, ist falsch, sie erfolgt stets, wenn die Umstände günstig sind, an beschatteten, übrigens aber freien Orten schon des Nachmittags vor Sonnenuntergang. In den Küstengegenden warmer Klimate erfolgt der Thau am reichlichsten, weil hier die Luft stark mit Wasser geschwängert und die Ausstrahlung besonders stark zu sein pflegt. Auf den niedrigen Koralleninseln der Südsee thaut es dagegen selten oder gar nicht. Im Winter gefriert bei uns der Thau und wird dann als Reif (s.d.) sichtbar. – Thauen nennt man auch die allmälig erfolgende Umwandlung von Schnee und Eis in Wasser, welche erfolgt, sobald die Temperatur der Luft über den Gefrierpunkt oder 0° des Thermometers steigt. Wenn dieses der Fall ist, so sagt man, daß Thauwetter eintrete. Da bei der Umwandlung von Eis in Wasser Wärme absorbirt (verschluckt, unfühlbar gemach) wird, so kann das Thauen nur allmälig erfolgen, indem immer nur die obersten Schichten jene Umwandlung erfahren und dadurch die untern allmälig für die Wärme zugänglich machen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 398-399.
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