Venus

Venus

[569] Venus, die Göttin der Liebe und Schönheit der Alten, ward nach den Erzählungen von ihrer Herkunft bei Gelegenheit der Entmannung des Uranus durch den Saturn aus dem Schaume des Meeres geboren und landete in einer Seemuschel zuerst auf Cypern, oder war eine Tochter des Jupiter und der Dione.

Die Griechen gaben ihr auf den Grund der ersten Entstehung die Namen Aphrodite, die Schaumgeborene, und Anadyomene, die Hervorgegangene, von Cypern aber, dem Hauptsitze derselben, wo sie zu Paphos und Amathus berühmte Tempel hatte, führte sie die Namen Cypria, Cypris, Amathunthia und paphische Göttin. Cythera (Cerigo) war ebenfalls ein sehr alter Sitz der V., welche davon Cytherea hieß. Auch eine ältere, die vom Uranus abstammende und eine jüngere V. wird von den Dichtern unterschieden und jene Venus Urania, die himmlische genannt, sowie als Symbol der reinsten, der Sinnlichkeit fremden Liebe, die jüngere dagegen als das der irdischen Liebe angesehen, diese führt auch den Beinamen Dionäa, weil Dione ihre Mutter war. Alte und neue Dichter haben übrigens die von der einen wie von der andern erzählten[569] Ereignisse einer und derselben Person zugeschrieben. Sie geben der liebreizenden, jungen Göttin einen Zaubergürtel, in welchem Liebe, schmachtendes Verlangen, holde Rede und sanfte Schmeichelei eingeschlossen sind und mittels dessen sie Götter und Menschen bezähmte. Die Grazien und die Göttin der Überredung (Suada) waren ihre Begleiterinnen, und der Myrtenbaum war ihr geweiht, weil sie sich hinter einen solchen verbarg, als sie nackt die Küste von Cythera betrat. Ihr Wagen ward von Schwänen, von Tauben und auch von Sperlingen gezogen und sie war nicht blos Göttin der Liebe, sondern auch der Ehen. Im Wettstreite mit der Juno und Minerva um den Vorrang der Schönheit erhielt V. vom Paris (s.d.) den Preis zuerkannt. Ihr eigentlicher Gemahl war Vulcan (s.d.), dem sie jedoch keine Kinder gebar, wol aber ihren Geliebten unter Göttern und Menschen, von den besonders der Kriegsgott Mars, Bacchus, Mercur, der schöne Adonis (s.d.) und Anchises ihre Gunst besaßen, welchem Letztern sie den Äneas gebar. Vom Mars hatte sie den Amor oder Eros und den Anteros (Liebe und Gegenliebe), die Harmonia, den Schrecken (Deimos) und die Furcht (Phobos); vom Bacchus den Hymen und Priapus, vom Mercur den Hermaphrodit. Wegen ihres Ursprunges aus dem Meere schrieb man ihr auch über dieses große Macht zu; die Seefahrer flehten sie um glückliche Fahrt an und sie führte als Meergöttin den Beinamen Euplöa, Pontia oder Marina. Dargestellt wird V. als reizende, jugendliche Göttin, völlig unbekleidet oder nur wenig und leicht verhüllt. Zu den ersten gehört die berühmte Statue in der großherzogl. Galerie zu Florenz, welche als mediceische V. bekannt ist und von der es viele Copien gibt; neben ihr ruht ein Delphin und befinden sich zwei kleine Liebesgötter. Sie soll eine Nachbildung der berühmten Bildsäule der Venus von Praxiteles zu Knidos in Kleinasien sein, von welchem die Göttin auch Knidia heißt. Von den künstlerischen Auffassungen mag noch der als siegende V. gedacht werden, wo sie entweder mit dem als Preis der Schönheit von Paris empfangenen Apfel in der Hand als Siegerin, oder den Mars liebkosend und entwaffnend abgebildet ist. – Den Namen Venus führt auch einer von den der Sonne am nächsten stehenden Planeten (s.d.). – Ein Venusberg, angeblich der Hörselberg bei Eisenach, spielt in der mittelalterlichen Sage von Tanhäuser eine Rolle.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 569-570.
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