Vesta

[601] Vesta, die Schutzgöttin des wohlthätigen, die Fruchtbarkeit der Erde befördernden Feuers, dessen Gebrauch in der Haushaltung die Menschen von ihr zuerst gelernt haben sollen, daher ihrem Schutze der Herd und die Häuser, später auch Städte und Staaten, befohlen waren, galt für eine Tochter der Rhea und des Saturn (Kronos), von dem sie gleich ihren Geschwistern nach der Geburt verschlungen, durch die List ihrer Mutter aber gerettet wurde. Sie blieb mit Bewilligung ihres Bruders Jupiter stets unvermählt und wurde in ganz Griechenland, am höchsten jedoch in Italien verehrt, wohin ihr Dienst durch Aeneas gebracht ward, welcher ihr in Lavinium einen Tempel gründete. Durch Numa Pompilius wurde die Verehrung der V. in Rom eingeführt und das in ihrem Tempel unterhaltene ewige Feuer, sowie das dort verwahrte Palladium galten für Unterpfänder der Sicherheit des Reichs. Abgebildet wurde die Göttin als verschleierte Matrone mit einer Lampe oder Fackel und einer Opferschale oder auch mit dem Palladium. – Vesta ist auch der Name eines Planeten (s.d.). – Vestalinnen, Vestalische Jungfrauen hießen die vom Numa Pompilius zum Dienste im Tempel der V. eingeführten vier, dann sechs geweihten Jungfrauen, zu denen bis 6 Jahre alte Mädchen von freien, noch am Leben befindlichen Ältern gewählt wurden. Jede mußte sich 30 Jahre dem Dienste der Göttin weihen und ihre Keuschheit bewahren, konnte sich aber nach dieser Zeit verheirathen. Eine wesentliche Aufgabe ihres Dienstes war die Unterhaltung des heiligen Feuers im Vestatempel, bei welchem sie des Nachts abwechselnd wachten und dessen Verlöschen den Schuldigen eine harte Züchtigung zuzog. Verletzte eine Vestalin das Gelübde der Keuschheit, so wurde sie lebendig begraben und ihr Verführer zu Tode gegeißelt. Ein langes weißes, mit Purpur besetztes Kleid und Binden und Schleier um den Kopf machten die Tracht der Vestalinnen aus, welche vom Staate einen Gehalt bezogen und im Besitze großer Vorrechte waren. Wenn sie ausgingen, wurden sie von einem Lictor begleitet und die vornehmsten Beamten wichen ihnen ehrerbietig aus, Verbrecher aber, welche ihnen zufällig auf dem Wege zur Hinrichtung begegneten, wurden begnadigt, wenn sie es wollten. Kein Vater oder Vormund besaß Gewalt über sie, und in ihrem Tempel wurden häufig Testamente und andere wichtige Urkunden zur Aufbewahrung niedergelegt.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 601-602.
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