Braunschweig

264. Braunschweig.
264. Braunschweig.
Mittleres Westdeutschland I. (Karten)
Mittleres Westdeutschland I. (Karten)

[259] Braunschweig, ein zum Deutschen Reich gehöriges Herzogtum [Karte: Mittleres Westdeutschland, beim Artikel Rheinprovinz], 3672 qkm, 464.333 meist luth. E. (24.120 Katholiken, 1824 Israeliten), zerfällt in 3 Teile (Kr. B., Wolfenbüttel, Helmstedt; Gandersheim, Holzminden; Blankenburg) und 6 kleinere Exklaven. Im nördl. Hauptteil welliges Hügelland (Asse, 221 m; Elme), im südöstl. der Harz (Wurmberg, 968 m; Achtermannshöhe, 926 m), im W. Wesergebirge (Ith, Hils, Solling, 494 m). Das Herzogtum gehört fast ganz dem Stromgebiet der Weser an (Aller mit Oker und Leine), nur Blankenburg (mit Bode) und Calvörde (mit Ohre) zu dem der Elbe. Eisenbahnen 487 km (401 km Preußen gehörig). Bedeutender Bergbau: Stein- und Kalisalze in Leopoldshall, Eisenerze, Braunkohlen, Zuckerindustrie, Tabak-, Tapetenfabriken etc.

Verfassung und Verwaltung. Staatsform konstitutionell-monarchisch; Staatsgrundgesetz die Neue Landschaftsordnung vom 12. Okt. 1832. Die Landesversammlung (Volksvertretung) besteht seit 1900 aus 5 Abgeordneten der höchstbesteuerten Einkommensteuerpflichtigen, 4 der wissenschaftlichen Berufsstände, 3 der höchstbesteuerten Gewerbesteuerpflichtigen, 4 Großgrundbesitzern, 2 Vertretern der Geistlichkeit, je 15 der Stadt- und Landgemeinden. 3 Abgeordnete im Reichstag. Die Angelegenheiten der luth. Landeskirche leitet das Konsistorium zu Wolfenbüttel. Orden Heinrichs des Löwen. Wappen des Herzogs s. Abb. 264; Landeswappen: springendes silbernes [259] Pferd in rotem Felde. Landesfarben: blau und gelb. Budget 1904/5: 16,196 Mill. M Einnahmen, 16,526 Mill. M Ausgaben. Staatsschuld 55,535 Mill. M, Aktiva 40 Mill. M. Militärkontingent (zum 10. Armeekorps, 20. Division, gehörig): Infanterieregiment (Nr. 92), Husarenregiment (Nr. 17), 2. (braunschw.) Batterie des 46. Feldartillerieregiments, 2 Bezirkskommandos. An der Spitze der 6 Kreise stehen Kreisdirektoren. Oberlandesgericht B., 2 Land-, 24 Amtsgerichte. Bildungsanstalten: Technische Hochschule (Carolo-Wilhelmina) in B., 6 Gymnasien, 1 Realgymnasium, 1 Oberrealschule, 1 Progymnasium, 1 Realschule, 2 Lehrer-, 1 Predigerseminar, Baugewerkschule, Ackerbau-, Zuckerindustrieschule, Drogistenakademie; berühmte Bibliothek in Wolfenbüttel. Hauptstadt B.

Geschichte. B. ist aus den Allodialbesitzungen entstanden, welche Heinrich der Löwe 1181 zurückerhielt, nachdem er das Hzgt. Sachsen verloren. Seine Söhne teilten 1203, wobei Wilhelm den östl. Teil des Lüneburgischen und den Oberharz erhielt. Nur Wilhelms Sohn, Otto das Kind, pflanzte den Stamm fort und erhielt das Hzgt. B. 1235 von Kaiser Friedrich II. zu Lehn. Nach seinem Tode (1252) regierten seine Söhne Albrecht (Longus) und Johann erst gemeinschaftlich, teilten aber 1267 ihre Lande. Albrecht begründete die ältere braunschw. Linie und hinterließ bei seinem Tode (1279) 3 Söhne, die 1286 ebenfalls zur Teilung schritten. a. Heinrich stiftete die Linie Grubenhagen, die 1596 erlosch. b. Albrecht II. die Linie Göttingen, die 1463 mit Otto dem Einäugigen ausstarb. c. Wilhelm die Linie Wolfenbüttel. Dessen Nachkomme Magnus II. ererbte (1369) das Erbfolgerecht auf die Länder des ältern lüneburgischen Hauses, das 1267 von Johann, dem jüngern Bruder Albrechts I. (Longus), begründet worden. Magnus' II. Söhne begründeten nach siegreicher Beendigung des Lüneburger Erbfolgestreites (1373) mit den Herzögen von S.-Wittenberg 1409 (1428) die mittlere Linie B. und Lüneburg, von denen die erste sich in die Kalenbergische und in die Wolfenbütteler Linie teilte. Aus der letztern, die 1634 erlosch, stammten der ehrgeizige Heinrich der Jüngere (gest. 1568), heftiger Gegner der Reformation, und sein Sohn Julius, eifriger Anhänger derselben und Gründer der Universität Helmstedt. Von der mittlern Linie Lüneburg vereinigte Ernst der Bekenner (gest. 1546) wiederum das ganze Lüneburger Land. Von seinen Söhnen wurde der jüngere, Wilhelm, der Stammvater der neuen Linie B.-Lüneburg, welche später die Kurwürde erhielt und das ehemal. Königr. Hannover beherrschte, der ältere, Heinrich, durch seinen jüngern Sohn August (gest. 1666), der 1634 nach Erlöschen der Wolfenbütteler Linie dies Erbe erwarb, Stifter des 1884 ausgestorbenen neuen Hauses B.-Wolfenbüttel. Als die Söhne Anton Ulrichs von B.-Wolfenbüttel, eines Sohnes von August, 1731 und 1735 ohne männliche Erben gestorben waren, gelangte die Linie des dritten Sohnes von August, Ferdinand Albrechts, der mit Bevern (apanagierte Nebenlinie B.-Bevern) abgefunden worden, zur Nachfolge. Der Enkel des letztern, Karl, führte eine verschwenderische Regierung, deren Folgen sein Sohn Karl Wilhelm Ferdinand seit 1780 abzuhelfen wußte. Als dieser 1806 starb, wurde B. ein Teil des Königr. Westfalen, bis 1813 sein Sohn Friedrich Wilhelm, der 1805 das schles. Fürstent. Öls geerbt hatte, wiedereingesetzt ward; er fiel 1815 bei Quatrebas. Für seinen unmündigen Sohn Karl führte der Prinz-Regent von Großbritannien (nachmaliger König Georg IV.) bis 1822 die Regentschaft. Als Herzog Karl wegen seiner Regierungswillkür 7. Sept. 1830 vertrieben wurde, übernahm die Regierung sein jüngerer Bruder Wilhelm, unter welchem in B. 1832 ein neues Landesgrundgesetz zustande kam, das 1848 vorübergehende liberale, 1851 und 1886 noch jetzt zu Recht bestehende Änderungen erfuhr. 1844 schloß B. sich dem Zollverein an. 1866 erklärte sich B. gegen den österr. Mobilisierungsantrag und trat 18. Aug. dem Norddeutschen Bunde, 1870 dem Deutschen Reiche bei. Als mit Herzog Wilhelm 18. Okt. 1884 die Linie B.-Wolfenbüttel erlosch und der Herzog von Cumberland, das Haupt der depossedierten Linie Hannover, wegen seiner Nichtanerkennung der deutschen Reichsverfassung durch den Bundesrat von der Thronfolge ausgeschlossen worden war, wurde vom Landtag 21. Okt. 1885 Prinz Albrecht von Preußen zum Regenten gewählt. Dieser übernahm 2. Nov. die Regierung. – Vgl. von HeinemannGeschichte«, 1882-92), KöcherGeschichte«, 1884 u. 1895), KnollTopographie«, 1897), AndreeVolkskunde«, 2. Aufl. 1901).

Quelle:
Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 259-260.
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