Gottesdienst

[478] Gottesdienst, oder richtiger Gottesverehrung. Mit dieser Benennung bezeichnet man alle Handlungen, durch welche religiöse Gefühle ausgedrückt oder auch erst erweckt werden sollen. Diese Handlungen sind nun entweder durch den Stifter einer Religion förmlich eingesetzt und vorgeschrieben worden, oder die Sitte hat sie eingeführt, oder eine religiöse Gesellschaft hat sich zu ihrer Beobachtung vereint. Zu leicht vergißt der Mensch über der Sorge für die Außenwelt, die Dankbarkeit gegen den, aus dessen liebevoller Vaterhand ihm aller Segen kommt. Deßhalb sind Anstalten nothwendig, welche den Menschen theils auf seine Abhängigkeit von der Gottheit aufmerksam machen, theils aber auch fromme Gefühle und Entschlüsse in ihm anregen. Dieser Zweck wird nun am sichersten durch den öffentlichen Gottesdienst erreicht. Hier wirkt die an Andern wahrgenommene gefühlvolle oder vielmehr religiöse Stimmung, wahre, reine und vielleicht auch fruchtbringende Begeisterung für das Gute, Edle und die Absichten des Schöpfers Fördernde. Die Formen sind zwar in der Regel nach Verschiedenheit der religiösen Vorstellungen des Charakters und der sittlichen Bildung der Menschen verschieden, aber der Zweck bleibt bei Allen derselbe: Anerkennung der Uebermacht höherer Wesen, Dank für erwiesene Gnade, Bitte um fernere Gunstbezeigungen. Am tiefsten steht der Fetischmus oder der Gottesdienst, welcher nur auf Begehren und Verabscheuen, auf Furcht und Hoffnung sich gründet und rohe Steine anbetet. Höher steht der Sabäismus, welcher[478] von dem wohlthätigen Einfluß der Gestirne ausgeht und sie verehrt. Doch beiden fehlt die moralische Grundlage. Diese zeigt sich erst im Polytheismus, welcher ausgezeichnete Menschen feiert, die sich durch Großthaten oder durch nützliche Erfindungen Ansprüche auf Achtung erworben haben. Am höchsten steht der Monotheismus, welcher einen einzigen, allmächtigen, heiligen, über alle menschlichen Begriffe erhabenen Weltregierer verehrt. Zwar kann man auch zu Hause oder in Gottes großem Tempel, in der weiten Natur, Privatgottesdienst feiern, aber nie wird hier der Zweck so vollkommen erreicht, als bei dem öffentlichen, wo die Heiligkeit des Ortes, die Absonderung von jeder entweihenden Nähe, des Gebetes Eifer, die Begeisterung der Gemeinde, des Gesanges heilige Macht das Herz mächtig ergreift, erhebet und heiliget.

–s–

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 4. [o.O.] 1835, S. 478-479.
Lizenz:
Faksimiles:
478 | 479
Kategorien: