Schnupftuch

[123] Schnupftuch. Ein Toilettengegenstand, der eigentlich nur zu den Accessorien des Putzes gehört, jedoch in den neuesten Zeiten durch den Luxus, den man daran verschwendet, von Bedeutung geworden ist. Die Ausstattung reicher Bräute enthält Dutzende von Schnupftüchern, die mit den mühsamsten und folglich theuersten Stickereien geziert und mit den kostbarsten Spitzen garnirt sind. Der Grundstoff ist immer der feinste Battist, zuweilen über 4 Thlr. die Elle, weßhalb denn auch fast unglaubliche Summen für diesen Artikel ausgegeben werden. Die Mode gebot bald die Ecken des Schnupftuchs mit niedlichen Vignetten zu schmücken, bald forderte sie dieselben nicht mit Baumwolle, sondern präparirtem Haar, Flor und Goldfäden gestickt. Ein ander Mal bildeten sie nach den Seiten auslaufende Diadems, und gegenwärtig sind die rivières à mille pois (sehr durchbrochen in seinen Löchern gearbeitete Guirlanden), an der Tagesordnung; breitere und schmälere Hohlsäume tragen als erste Bordure bei, den Werth des S. zu erhöhen. Die Namens-Chiffre war bald gothisch, bald von Blümchen, bald weiß, bald von ponceau oder schwarzen Creppfäden, Haar und goldgestickt. Die Vignetten boten Vögel, Blumen, Landschaften, ja sogar Figuren, die freilich phantastisch genug ausfielen. Für Unbemitteltere gibt es bedruckte Battisttücher in Roth, Blau und Lila mit artigen Desseins. Herren[123] bedienen sich gemeiniglich der ostindischen foulards, deren Preis nach Befinden ebenfalls hoch ist, doch niemals die Kostbarkeit der Damen-Taschentücher erreicht. Von den mehr nöthigen als eleganten, gewöhnlichen Schnupftüchern in Leinwand etc. sprechen wir nicht; ihre Verdienste sind gekannt. Im Orient ist das Schnupftuch ein liebes Spielzeug für die eingeschlossenen Frauen, das sie auf nicht minder sinnige Weise durch farbige Stickereien, oft in Gold und Perlen verzieren. Diese Tücher sind entweder von gelber oder rother Seide, oder Musselin mit Goldrändern. Die allgemein verbreitete Meinung, als ob die morgenländischen Fürsten eine Wahl unter ihren Favoritinnen durch Zuwerfen des Schnupftuchs bestimmten, ist irrig; wohl aber bietet bei manchen slavischen Nationen der Bräutigam der Braut am Hochzeitstage ein schönes buntes Schnupftuch, oder sie ihm. Den Alten war das Schnupftuch unbekannt, und die aus seiner Byssus-Leinwand gemachten Servietten hatten so ziemlich die nämlichen Bestimmungen, ohne jedoch außer den Essenszeiten gebraucht zu werden. – Bei den jetzigen Ausstattungen in Paris kommen S. von dem Werthe bis zu 400 Francs vor. Anna von Oestreich besaß sehr schöne Spitzen und Linnenzeug, ihre S. kosteten aber nur 18 Livres; Maria Antoinette hatte deren zu 24 Livres, Josephine, die erste Gemahlin Napoleon's, zu 80 Franken. – In China hat jeder Bewohner des »himmlischen Reichs« immer kleine Stückchen seidenen Zeuges bei sich, deren er sich einmal als S. bedient und die er dann wegwirft. In Persien empfangen diejenigen, welche in einem Hause nach dem Tode einer Person wehklagen, um ihr eine Ehre zu erzeigen, als Geschenk ein schwarzes S. – Zur Zeit des Ritterwesens gaben die Frauen oft ihren Rittern ein mit ihrem Wappen und Namen gesticktes S., welches der Ritter an seinem Schwerte, seiner Lanze oder seinem Schilde befestigte. Wir bemerken endlich noch, daß ein S. das verderbliche Band um Othello schlang; Voltaire machte aus einem S. seine Zaire, Alexander Dümas seinen Heinrich III.

F.

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Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 9. [o.O.] 1837, S. 123-125.
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