Weber, Karl Maria von

[397] Weber, Karl Maria von. Wohl in mancher Hütte und aus manchem Palaste erklingen noch die Töne des deutschen Tondichters, aber seine Gebeine modern längst, fern von der Heimath, in Albions Hauptstadt zwischen den kühlen Mauern von Moorfieldskapelle. Nur wenige laue Frühlingsnächte ist's der Nachtigall vergönnt, ihr Lied zu stimmen, und auch er, der müde, kranke Barde, dessen Saiten längst von einem Welttheil zum andern wiederklangen, verstummte im Sommer seines Lebens in der[397] Themsestadt. Aber er ist nicht gestorben, denn das ist ja eben die Riesengewalt des Genies, daß es seine Spur einprägt künftigen Jahrhunderten. Eine kleine, unansehnliche Figur, auf einem Fuße etwas gelähmt, aber im Auge Geist, Leben und Feuer, dieß war der unsterbliche Componist des Freischütz, dieser wahren volksthümlichen deutschen Musik, der Euryanthe, des Oberon, der Preciosa etc. Geb. am 18. Decemb. 1786 zu Eutin im Holstein'schen, trieb er in seiner frühen Jugend die Malerei und die Musik mit gleicher Vorliebe, bis endlich letztere die Oderhand gewann, und der Unterricht von Valesi und Kalcher in München die Keime seines großen Talentes zur Blüthe trieb. In jene Zeit fällt die Entstehung seiner ersten Oper: »die Macht der Liebe und des Weins,« bald darauf componirte er »das Waldmädchen,« » Peter Schmoll und seine Nachbarn,« unternahm später eine Reise nach Wien, lebte dort dem Studium der Musik mehrere Jahre, folgte einem Rufe als Musikdirector nach Breslau, trat 1806 in die Dienste des Herzogs Eugen von Würtemberg, unternahm 1810 eine Kunstreise und leitete von 1813–16 als Musikdirector die Oper in Prag. Dort componirte W. seine große Cantate »Kampf und Sieg,« ging aber 1817 nach Dresden, um daselbst eine deutsche Oper zu bilden, welche unter seiner Direction ihren Glanzpunkt erreichte. Von 1820 an folgten nun Preciosa, Freischütz, Euryanthe und Oberon schnell auf einander. Erstere Beide schrieb er für Berlin, Euryanthe für Wien, und Oderon, seinen Schwanengesang, für London. Bereits erschöpft von einem Hals- und Brustübel, reiste der große Meister 1826 dennoch nach der Themsestadt, um den Oberon dort aufzuführen, und endete dort am 5. Juni dieses Jahres, an demselben Tage, wo man den Freischütz als Benefiz für ihn gab. Sein Leichnam wurde in der Moorfieldskapelle beigesetzt. W's 4 letzte Opern haben seinen Namen unsern größten Componisten beigesellt. Seine Musik vereinigt deutschen Ernst mit südlicher Glut und südlichem Liebreiz, sie ist vom Theater in[398] den Mund des Volks übergegangen und hat auf ihrer Wanderung kein Land unberührt gelassen. Er spielte das Clavier selbst mit großer Fertigkeit, componirte viel für dieses Instrument, aber weniger für den Laien. Ein großer Reiz seiner dramatischen Compositionen liegt in der wahrhaft charakteristischen Art, wie er die einzelnen Instrumente anwandte.

B.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 10. [o.O.] 1838, S. 397-399.
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