Cultur

[192] Cultur (geistige, sociale, ethische): Ausbildung der intellectuellen und moralischen Fähigkeiten des Menschen in geistigen, socialen Gebilden (Wissenschaft, Recht, Sittlichkeit u.s.w.), Bändigung des ungezügelten Trieblebens durch den Willen; Verwertung und Bearbeitung alles »Natürlichen« im Dienste höherer Bedürfnisse im Sinne einer fortschreitenden Humanität, Inbegriff der social entstandenen Gebilde und Institutionen, bewußtes, planmäßiges Leben unter dem Einflusse von Ideen; sittliche Ausbildung. Von der Culturgeschichte ist die Culturphilosophie als Theorie und Wertung der Culturgebilde zu unterscheiden. Nach KANT ist Cultur »die Hervorbringung der Tauglichkeit eines vernünftigen Wesens zu beliebiger Zweckmäßigkeit überhaupt – folglich in seiner Freiheit«, die Tauglichkeit, sich selbst Zwecke zu setzen und die Natur als Mittel dazu zu gebrauchen. Die wahre Cultur kann nur in der Gesellschaft erreicht werden (Krit. d. Urt. § 83). Nach J. G. FICHTE ist Cultur »Übung aller Kräfte auf den Zweck der völligen Freiheit, der völligen Unabhängigkeit von allem, was nicht wir selbst sind« (WW. VI, 86). Nach R. EUCKEN[192] besteht die Cultur in der Schaffung einer neuen, geistigen Welt, einer Durchbrechung der Natur (Kampf um e. geist. Lebensinh. S. 8 ff.). Nach UNOLD ist das letzte Ziel aller Cultur die Herstellung einer sittlichen Weltordnung, eines harmonischen Vereines aller (Gr. d. Eth. S. 261 f.). H. SCHURTZ bemerkt: »Cultur ist die Erbschaft der Arbeit vorhergehender Generationen, soweit sie sich in den Anlagen, dem Bewußtsein, der Arbeit und den Arbeitsergebnissen der jedesmal Lebenden verkörpert« (Urgesch. d. Cult. S. 5). Vgl. Sociologie.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1. Berlin 1904, S. 192-193.
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