Jagdgewehre [1]

[223] Jagdgewehre. Je nach der Jagdart und der Verwendung unterscheidet man zwei Arten von Jagdgewehren, solche mit glatten Läufen für den Schrotschuß (Schrotflinten, Doppelflinten) und solche mit gezogenen Läufen nur für den Kugelschuß bestimmte (Büchsen, Doppelbüchsen). Außerdem gibt es noch mehrere Abarten, die aus Schrot- und Kugellauf kombinierten Jagdgewehre. Zu diesen gehören die Büchsflinte und der Drilling.

Da der ganze Jagdbetrieb in Deutschland überwiegend der Niederjagd (Rebhühner, Hafen u.s.w.) angehört, so ist die Schrotflinte oder kurzweg Flinte genannt die in Deutschland am meisten geführte Schußwaffe. Das Wort flammt von dem englischen »flint« (Feuerstein).

1. Die Doppelflinte. Einläufige Flinten werden fast gar nicht mehr gebaut. Neunzig Prozent aller Jäger benutzen nur die Doppelflinte.

a) Lauf. Als Material für den Lauf wird nur noch Damast oder Stahl verwendet. In Deutschland hat der Stahl den Damast fast ganz verdrängt. Stahlläufe sind im allgemeinen leichter und widerstandsfähiger als Damastläufe. Bevorzugt werden heute hauptsächlich Edelstahlläufe, besonders der Kruppsche Spezialgewehrlaufstahl und der Wittener Exzelsiorstahl. Je widerstandsfähiger das Laufmaterial ist, desto leichter kann der Lauf hergestellt werden. Die gebräuchlichste Lauflänge bei Doppelflinten beträgt 70–76 cm. Nur für besondere Zwecke stellt man sie kürzer oder länger her.[223]

Laufbohrung. Früher kannte man nur den Zylinderlauf, erst in neuerer Zeit wurde die Chokebohrung (Würgebohrung) erfunden. Bei dieser verengen sich die Läufe allmählich nach der Mündung zu (Fig. 1). Dadurch wird ein besonders scharfer und enger Schuß erzielt. Man hat es heute ganz in der Gewalt, je nach der Art der Bohrung größere Streuung des Schrotes oder eng zusammenhaltenden Schuß zu erzielen.

b) Das Kaliber der Schrotläufe benannte man früher nicht nach Millimetern, sondern nach der Anzahl von Rundkugeln, die auf ein Pfund gingen. Es gehen zum Beispiel beim Schrotkaliber 16 16 Rundkugeln auf ein Pfund, beim Kaliber 20 deren 20 u.s.w. Je größer also die Zahl, desto kleiner das Kaliber (Fig. 2). Man mißt das Kaliber gewöhnlich in der Mitte des Laufes, wobei aber bei den einzelnen Flinten immer kleine Unterschiede vorkommen. Maßgebend ist das Kaliber des Patronenlagers (s. S. 226). Am meisten werden zu allen Jagdarten die Kaliber 12 und 16 gebraucht; in Deutschland überwiegt das Kaliber 16, in Belgien, Holland, Frankreich und Amerika das Kaliber 12. Die übrigen Kaliber finden fast nur zu Spezialzwecken Verwendung, z.B. Kaliber 4, 8 und 10 für sogenannte Entenflinten, Kaliber 20 und 24 zur Hühner- und Wachteljagd. Kaliber 14 wird gar nicht mehr angefertigt und Kaliber 28 und 32 nur dann gebaut, wenn besonders leichte Gewehre (Damen- und Knabenflinten) gewünscht werden.

c) Verschluß. Da fast alle Doppelflinten zur Gattung der Kipplaufwaffen gehörten, so genannt, weil man beim Laden die Läufe herunterkippen muß, braucht man zur festen Verbindung der Läufe mit dem Verschlußkasten einen Verschluß. Der von Purdey erfundene Doppelriegelverschluß (Fig. 3) besteht im wesentlichen aus zwei Laufhaken, die in entsprechende Ausfräsungen des Verschlußkastens eingreifen. Der den Verschluß bedienende Hebel wird verschieden angeordnet; entweder liegt er vor dem Bügel, an der linken Schloßseite (Seitenhebel) oder zwischen den Hähnen (Top lever). Am beliebtesten ist der »Top lever«; er findet bei allen modernen Doppelflinten Anwendung, weil er am bequemsten und leichtesten zu bedienen ist. Durch Greener wurde der Doppelriegelverschluß noch weiter verstärkt (vgl. Fig. 4). Die verlängerte Laufschiene ist hierbei mit einer Oeffnung versehen, durch die ein starker im Verschlußkasten liegender Bolzen geht. Der Doppelriegel in Verbindung mit dem Greener-Verschluß stellt also einen dreifachen Verschluß her, der sich in der Praxis sehr bewährt hat und den heute alle modernen guten Doppelflinten besitzen.

In den letzten Jahren sind vielfach Versuche gemacht worden, den dreifachen Verschluß noch mehr zu verstärken. Erfolge erzielte namentlich der von Kersten erfundene Straßburger oder Kersten-Verschluß (Fig. 5). Hier greifen zwei mit dem Lauf aus einem Stück gearbeitete Seitenlappen in entsprechende Ausfräsungen des Verschlußkastens ein und werden dort durch einen besonders starken Riegel festgehalten. Auch der Schradersche Schildzapfenverschluß ist hier zu erwähnen. Beide Verschlüsse haben sich namentlich bei starken Ladungen gut bewährt.

d) Schlösser. Bei den Hahndoppelflinten findet man hauptsächlich das vorliegende und das rückliegende Schloß. Sie bestehen in der Hauptsache aus der Schloßplatte, der Nuß, der Stange, der Stangenfeder, der Schlagfeder und der Kette (Fig. 6 und 7). Vorliegende Schlösser bringt man namentlich bei besseren Doppelflinten an, da das Aussehen der Gewehre dadurch gewinnt. Sie schwächen aber den Verschlußkasten (Fig. 8). Alle billigen Doppelflinten haben meist rückliegende Schlösser. Auch bei Gewehren mit starker Ladung werden sie verwendet, da das rückliegende Schloß den Verschlußkasten nicht schwächt, der bei starken Ladungen besonders solid sein muß (Fig. 9). Fast alle Schlösser versteht man mit Rückspringhähnen.[224]

Bei den Selbstspannerdoppelflinten (Hammerleß-Gewehre), wo die Schlösser durch das Gewicht der abkippenden Läufe gespannt werden und die äußeren Hähne ganz fortfallen, ist das Anson und Deeley-Schloß oder eine Abart dieses Schlosses am gebräuchlichsten (Fig. 10). Bei den Seitenschloßselbstspannern ist das Schloß auf dem Schloßblech selbst angeordnet und läßt sich nach Lösung der Schrauben leicht herausnehmen und reinigen (Fig. 11). Wie sich das Anson und Deeley-Gewehr in seinem äußeren Ansehen von dem Seitenschloßselbstspanner unterscheidet, zeigen Fig. 12 und 13.

e) Schäftung. Bei Jagdgewehren müssen die Abmessungen des Schaftes der Figur des Jägers genau angepaßt werden, weil sonst, wie der technische Ausdruck lautet, das Gewehr dem Schützen nicht gut liegt. Jeder richtig gebaute Schaft muß eine bestimmte Senkung und eine bestimmte Länge haben. Beides gibt der Besteller des Gewehres je nach seinen Wünschen in Zentimetern an und nach diesen Maßen wird der Schaft gearbeitet. Oder der Büchsenmacher bestimmt selbst die Maße nach der Figur des Schützen und benutzt dazu einen verstellbaren Gelenkschaft. Die gebräuchlichsten Schaftabmessungen sind folgende; Senkung 4 und 6 cm, Länge 35–36 cm (Fig. 14).

Die Form des Schaftes ist mehr oder weniger Geschmacksache. Man unterscheidet: 1. die. sogenannte deutsche Schäftung, 2. die Schäftung mit Pistolengriff, 3. die englische Schaffung (Fig. 15 – 17). Die alte deutsche Schäftung ist jetzt fast ganz durch die Schäftung mit Pistolengriff verdrängt worden. Von modernen Schützen wird neuerdings wieder die englische Schäftung bevorzugt. Bei modernen Schäften liegt die Spitze des Kolbens nicht in der Verlängerung des Laufes, sondern die Gewehre sind aus dem Gesicht geschäftet, wie der technische Ausdruck lautet. Der Schaft ist also nach außen gebogen, so daß der Schütze beim Anschlage sofort die Laufschiene sieht, ohne den Kopf besonders neigen zu müssen. Als Material zu den Schäften nimmt man gewöhnlich Nußbaumholz. Alle Verzierungen und Ausschmückungen des Schaftes (geschnitzte Figuren, Köpfe, Laubwerk) sind veraltet und werden nicht mehr gewünscht.

f) Der Vorderschaft dient dazu, eine äußere Verbindung zwischen Lauf und Verschlußkasten herzustellen. Am beliebtesten sind heute die abnehmbaren Holzvorderschäfte mit Patentschnapper. Alle guten modernen Doppelflinten sind damit versehen (Fig. 14).

g) Die Kolbenkappe soll den Abschluß des Gewehres nach hinten bilden. Früher machte man sie aus Eisen, jetzt fast ausschließlich aus Horn mit Fischhaut, um das Abgleiten des Schaftes an der Schulter zu verhindern (Fig. 14).

h) Der Abzugsbügel ist aus Stahlblech oder Horn und schließt die [225] Abzüge nach unten ab. Zum Abdrücken der Doppelflinte ist für jeden Lauf ein besonderer Abzug vorgesehen. Neuerdings bevorzugt man auch den Einabzug bei Doppelflinten. Hier stellt sich der Abzug nach Abfeuern des rechten Laufes selbsttätig um (Fig. 14).

i) Die Schiene auf der Doppelflinte soll das Visier ersetzen und dient zur oberen Verbindung der Läuse. Man macht sie entweder breit und flach oder schmäler und etwas ausgehöhlt. Um die Blendung des Sonnenlichtes zu vermeiden, wird die Schiene gereifelt (guillochiert).

k) Riemenbügel dienen zur Befestigung des Gewehrriemens. Der Patronenschlitten schiebt die abgeschossenen Hülsen aus der Kammer, so daß sie bequem herausgezogen werden können. Moderne, teure Gewehre versteht man mit Auswerfer (Ejektor), der die abgeschossenen Patronen beim Aufklappen des Gewehres selbsttätig aus den Kammern entfernt.

l) Das Patronenlager dient zur Aufnahme der Patrone, deren Rand in eine entsprechende Ausfräsung des Laufes eingreift. Die richtige Anordnung des Patronenlagers ist wichtig, weil von seiner Form der gute, regelmäßige Schuß des Gewehres abhängt. Der Uebergang des Patronenlagers in die Laufseele (Uebergangskonus) wird verschieden hergestellt. Entweder mit scharfer Kante (veraltet) (Fig. 18) oder halbkonisch (Fig. 19) oder endlich rein konisch (Fig. 20). Am bellen hat sich die halbkonische Form bewährt.

m) Das Gewicht der gebräuchlichsten Doppelflinten beträgt für Kaliber 16 : 2,7–2,9 kg, für Kaliber 12 : 2,9–3,1 kg. Die andern Kaliber sind dementsprechend leichter oder schwerer. Dabei kommt es darauf an, daß das Gewehr die richtige Gewichtsverteilung (Balance) hat. Es darf also weder Vordergewicht noch Hintergewicht besitzen, sondern soll, 5–7 cm vor dem hinteren Laufende auf den Finger gelegt, balancieren.

n) Die Schußleistung der Doppelflinten ist je nach der Laufbohrung und der Jagdart sehr verschieden. Der Lieferant muß den Wünschen der Besteller Rechnung tragen. Für das freie Feld wünscht man einen eng zusammenhaltenden Streukegel des Schrotes, um weite Schüsse machen zu können, im Walde, wo man oft auf sehr nahe Entfernungen schießen muß, ist eine größere Streuung der Schrote vorzuziehen. Einmal vermeidet man dadurch Fehlschüsse, dann aber wird das Wild bei Schrotgewehren mit sehr engem Streukegel auf nahe Entfernungen meist zu sehr zerschossen und dadurch entwertet. Gewöhnlich bevorzugt man Läufe mit mittlerer Streuung oder hilft sich so, daß der rechte Lauf mehr streut, während der linke mit Chokebohrung versehene das Schrot enger zusammenhält. Dann ist man für alle Fälle gerüstet. – An ein erstklassiges Schrotgewehr muß man in bezug auf den Schuß folgende Anforderungen stellen: 1. Höchste Gleichmäßigkeit der Verteilung der Schrote, 2. größte Regelmäßigkeit von Schuß zu Schuß bei vorzüglichem Durchschlag.

Nach den Festsetzungen der Deutschen Versuchsanstalt für Handfeuerwaffen in Halensee werden für gute Gewehre je nach der Bohrung an Treffern auf 35 m in einen Kreis von 75 cm folgende Zahlen verlangt:


Jagdgewehre [1]

Jagdgewehre [1]

o) Beschußproben. Nach dem Laufprüfungsgesetz vom 1. April 1893 darf man in Deutschland keine Schußwaffe mehr verkaufen oder in Verkehr bringen, die nicht mit den vorgeschriebenen deutschen oder den als gleichwertig anerkannten Prüfungszeichen eines auswärtigen Staats[226] versehen ist. In Deutschland werden zuerst die vorgearbeiteten Läufe mit der dreifachen Pulver- und der doppelten Schrotladung der Gebrauchspatrone und dann die fertigen, d.h. mit der Verschlußeinrichtung versehenen Läufe mit der doppelten Pulverladung und der 11/3fachen Schrotladung beschossen. Die Tabelle S. 226 unten zeigt die Stärke der Probierladungen in den verschiedenen Staaten. Außerdem kann noch ein Beschuß mit rauchlosem Pulver stattfinden, der dann durch eine besondere Marke auf dem Gewehr gekennzeichnet wird.

p) Munition. Als Patronenhülse für Schrotgewehre hat sich die Zentralfeuerhülse aus Pappe mit Messingboden fast in der ganzen Welt eingebürgert. Papierhülsen und Messinghülsen werden für Doppelflinten nur noch vereinzelt verwendet. Man verlangt heute vorwiegend sogenannte gasdichte Hülsen, deren Inneres bis zur Höhe der Pulverladung mit einem Blechmantel versehen ist, um das Treibmittel vor Feuchtigkeit zu schützen und der ganzen Hülfe einen besseren Halt zu geben. Als Treibmittel werden Schwarzpulver verschiedener Körnung und in neuerer Zeit hauptsächlich rauchlose Pulver benutzt. Zu erwähnen wären von letzteren besonders: Haslocher (Marke Fasan), Troisdorfer, deutsches Schultze-Pulver der Fabrik Walsrode (gekörnte Mischpulver) sowie schwedisches Normalpulver, Rottweiler, Saxonia und Walsroder (gelatinierte Pulver). Letztere sind unempfindlicher gegen Feuchtigkeit als erstere. Ihre Leistungen in bezug auf Durchschlag, Streuung u.s.w. zeigen keine bemerkenswerten Unterschiede. Nur der Gasdruck ist verschieden, hält sich aber im allgemeinen in normalen Grenzen, wenn er auch höher ist als der des Schwarzpulvers. Es ist deshalb empfehlenswert, nur aus solchen Gewehren rauchlose Pulver zu schießen, die damit beschossen sind (s. Beschuß proben, S. 226). Die Pulverladung ist wegen der großen Anzahl der Jagdpulver natürlich sehr schwankend. Bei Schwarzpulver beträgt sie für Kaliber 16 41/2–5 g, für Kaliber 12 5–51/2 g. Die Schrotladung richtet sich natürlich nach der Größe des Kalibers. Man ladet in Kaliber 16 : 27–30 g und in Kaliber 12 : 30–34 g Schrot, entweder Weichschrot oder Hartschrot. Letzteres ist durch einen Zusatz von Antimon gehärtet und wird neuerdings sehr bevorzugt, weil es sich infolge seiner Härte nicht so leicht deformiert und infolgedessen besseren Durchschlag gibt. Die für die Jagd verwendeten Schrotgrößen sind je nach der Jagdart sehr verschieden, und es steht darin eine sehr große Auswahl zu Gebote. Die untenstehende Tabelle gibt eine Uebersicht über die Durchmesser und die Anzahl der Körner auf 10 g. Die frühere Nummernbezeichnung ist jetzt durch die Bezeichnung nach Millimetern ersetzt worden.


Jagdgewehre [1]

Bevorzugt werden heute namentlich die Schrotnummern 4, 31/2 3, 21/2 und 2 mm. Die allerstärksten Nummern 51/2–41/2 mm benutzt man nur für besondere Jagdzwecke. Sie haben eine sehr unregelmäßige Streuung und sind deshalb weniger zu empfehlen. – Zur Abdichtung des Pulvers bedient man sich elastischer Fettfilzpfropfen; sie bestehen aus seinem Haarfilz und sind mit einem Fettüberzug versehen. Zwischen Pulver und Pfropfen legt man ebenso wie zwischen Pfropfen und Schrot ein Teerplättchen, damit weder das Treibmittel durch das Fett des Pfropfens leidet noch Schrotkörner an den Pfropfen sich ansetzen können. Auf das Schrot wird ein Pappplättchen gesetzt und dann die Patrone gerändelt, um das Herausfallen der Schrote beim Lockerwerden des Pappplättchens zu hindern und der Entwicklung der Pulvergase einen gewissen Widerstand entgegenzusetzen, was namentlich bei den schnell verbrennenden rauchlosen Pulvern von Wichtigkeit ist. Schlecht oder gar nicht gerändelte Schrotpatronen ergeben sogenannte matte Schüsse, d.h. Schüsse mit sehr schlechtem Durchschlag (Fig. 21).

2. Die Büchse. Von der Vorderladerbüchse mit großem Kaliber ging man gegen die Mitte des 19. Jahrhunderts zum Hinterlader über, der dann im Laufe der Jahre vervollkommnet und fortwährend verbessert wurde (s. Gewehr).

a) Der Lauf. Bei den verhältnismäßig kurzen jagdlichen Entfernungen (bis höchstens 200 m) ist die Länge des Kugellaufes, falls sie in normalen Grenzen bleibt, nicht von so großer Wichtigkeit. Moderne Büchsen haben eine Lauflänge von 55–60 cm. Die Büchse ist dann nicht zu schwer und die Visierlinie nicht zu kurz. Die Läufe sämtlicher Jagdbüchsen sind mit Zügen versehen, die den modernen Langgeschossen eine Drehung um ihre Längsachse geben. Dem Geschoß wird dadurch die Ueberwindung des Luftwiderstandes erleichtert, und es kann sich während des Fluges nicht überschlagen. Die Flugbahn wird gestreckter (rasanter) und die Präzision (Treffgenauigkeit) des Geschosses wächst. Die Windung der Züge nennt man Drall und spricht bei kurzer Windung von starkem, bei langer Windung von schwachem Drall. Je härter das Geschoß ist, desto flacher können die Züge sein; deshalb brauchen Weichbleigeschosse[227] tiefere Züge als Mantelgeschosse (Armeegewehr Modell 71 Kaliber 11 mm, Tiefe der Züge 0,15 mm; Repetiergewehr Modell 88 Tiefe der Züge 0,1 mm).

b) Das Patronenlager soll so gebohrt sein, daß seine Achse mit der Seelenachse des Laufes ganz genau in derselben Linie liegt. Nur dann kann das Langgeschoß gerade in die Züge eintreten. Zu enge Patronenlager verursachen fortwährend Ladehemmungen, zu weite rufen leicht ein Platzen und Aufreißen der Hülfe hervor.

c) Der Verschluß der Büchse muß so stark sein, daß er den Pulvergasen genügenden Widerstand leistet. Die modernen Jagdrepetierbüchsen haben sämtlich Zylinderverschlüsse; bei Kipplaufbüchsen (s. S. 223) genügt bei mittelstarken Ladungen der gewöhnliche Verschluß. Früher war es nicht möglich, aus Kipplaufwaffen sehr starke Ladungen zu schießen. Heute kann aber der Verschluß derartig verstärkt werden (Kersten-Verschluß, Schildzapfenverschluß, s. Doppelflinte, S. 224), daß Kipplaufdoppelbüchsen selbst für die allerstärksten Ladungen zu benutzen sind.

d) Die Visiereinrichtung, aus Visier und Korn bestehend, ist bei allen Jagdbüchsen zum genauen Zielnehmen durchaus notwendig. Besondere Treppen- oder Leitervisiere braucht man nicht, da immer nur auf verhältnismäßig kurze Entfernungen geschossen wird, wozu im allgemeinen das Standvisier ausreicht. Da das beim Militär gebräuchliche Balkenvisier (s. Gewehr) den Nachteil hat, das Ziel teilweise zu verdecken, sucht man in Jägerkreisen schon seit Jahren nach einem passenden Ersatz, bisher jedoch ohne nennenswerte Erfolge. Auch heute herrscht immer noch das Balkenvisier vor und wird mit wenigen Ausnahmen überall benutzt. Da das Militärkeilkorn für jagdliche Zwecke zu grob ist, benutzt man ein Korn mit Silberpunkt, das von oben in die Laufschiene eingeschoben wird (Fig. 22).

e) Stechschloß. Um den Schuß nicht im Moment des Abdrückens zu verreißen, wie der technische Ausdruck lautet, muß die Jagdbüchse einen sehr leicht stehenden Abzug haben. Dieser wird durch das sogenannte Stechschloß erzielt. Man unterscheidet zwei verschiedene Einrichtungen: Das Stechschloß mit zwei Abzügen (für Büchsen, Repetierbüchsen u.s.w.) und den Rückstecher mit einem Abzug (für Doppelbüchsen, Büchsflinten und Drillinge). Die Stellung des Stechers wird durch eine Schraube reguliert; man kann ihn also ganz nach Belieben hart oder sein stellen.

f) Schäftung (s. Doppelflinten, S. 225).

g) Kaliber. Die Leistung einer Büchse hängt in erster Linie von der Geschwindigkeit ab, mit der das Geschoß den Lauf verläßt. Das Maß dieser Anfangsgeschwindigkeit kann durch Apparate festgestellt und daher in Zahlen ausgedrückt werden. Man ermittelt sie gewöhnlich 25 m vor der Mündung und drückt dies durch v/25 oder V/25 aus (Velocitas auf 25 m). Von der Anfangsgeschwindigkeit ist nicht nur die mehr oder weniger rasante (gestreckte) Flugbahn, sondern auch Streuung, Treffgenauigkeit und Wirkung des Geschosses am Ziel abhängig. Um hohe Anfangsgeschwindigkeit zu erzielen, braucht man neben einem geeigneten Geschoß (s. S. 229) ein günstiges Ladeverhältnis (Ladungskoeffizienten). Man ermittelt dies, indem man das Gewicht des Geschosses durch das Gewicht der Pulverladung dividiert. Zum Beispiel: Mauserbüchse Modell 71: Geschoßgewicht 25 g, Pulverladung 5 g, 25/5 = 5; also Ladeverhältnis 5 : 1. Je mehr beide Zahlen sich nähern, desto günstiger wird das Ladeverhältnis. Bei unsern modernen Jagdbüchsen ist es gelungen, ein Ladeverhältnis von 1 : 1 zu erhalten. Je günstiger also das Ladeverhältnis, desto größer die Anfangsgeschwindigkeit und desto geringer die Streuung der Büchse. Vorausgesetzt wird dabei immer die günstigste Geschoßform. Da aber die Erreichung eines günstigen Ladeverhältnisses nur bei der Wahl kleiner Kaliber möglich ist, wenn man nicht die Pulverladung unzulässig vergrößern will, so kam man mit Notwendigkeit zur Verringerung des Kalibers und damit zum kleinkalibrigen Langgeschoß. Das Treffen ist namentlich bei sich schnell bewegenden Zielen sehr schwierig, wenn man sich den richtigen Haltepunkt erst suchen muß. Bei unsern modernen kleinkalibrigen Jagdbüchsen hat man das nicht mehr notwendig. Man hält einfach auf alle jagdlichen Entfernungen (bis 200 m) Fleck. Es ist daher erklärlich, daß sich auch der Jäger die Vorteile kleinkalibriger Büchsen bald zunutze machte. So kam man vom Kaliber 11 mm allmählich zum Kaliber 8 mm und 6,5 mm. Allerdings ging das nur ganz allmählich, denn es handelte sich darum, das richtige Geschoß zu finden. Zu den großen Kalibern rechnet man heute 11,15 und 11 mm, zu den kleinen 8, 7 und 6,5, während die für die Jagd sehr viel benutzten Kaliber 9 und 9,3 mm etwa in der Mitte zwischen beiden stehen. Alle diese Kaliber haben ihre Vor- und Nachteile; doch überwiegen bei den kleinen Kalibern die Vorteile ganz bedeutend (s. Gewehr).

h) Jagdbüchsen. Die einfache Büchse mit einem Lauf ist heute saß ganz von den modernen Repetierbüchsen verdrängt worden. Diese sind den Militärwaffen nachgebildet; man benutzt also entweder den älteren Rahmenlader oder den neueren Streifenlader (s. Gewehr). Auch automatische Büchsen gibt es bereits, jedoch nur mit schwächeren Ladungen. Sehr viele Jäger benutzen den Kugellauf in Verbindung mit einem oder zwei Schrotläufen, also als Büchsflinte oder Drilling (s. S. 230).

Eine Errungenschaft der Neuzeit sind die sogenannten Fernrohrbüchsen, d.h. Büchsen mit daraufgesetztem Fernrohr. Im Dämmerlicht des Waldes, bei beginnender Dunkelheit und bei sehr kleinen Zielobjekten reicht das menschliche Auge oft nicht mehr aus, um genau zu zielen. Auch ältere Herren mit schwachem Augenlicht konnten nicht mehr recht Visier und Korn »zusammenbringen«. Man suchte deshalb schon lange nach einem optischen Hilfsmittel und fand es im Zielfernrohr. In diesem wurde ein sogenanntes Abkommen (Fig. 23) angebracht,[228] das man beim Zielen benutzte. Die ersten Zielfernrohre waren etwas schwer und unhandlich; jetzt fertigt man aber dies optische Hilfsmittel in vollendeter Weise in verschiedenen Größen, Abkommen und Vergrößerungen an. Das Zielfernrohr wird so auf die Büchse gesetzt, daß man es ganz nach Wunsch abnehmen und auch, wenn es sich auf der Waffe befindet, die Visiereinrichtung benutzen kann (Fig. 23a).

i) Munition. Während für die Schrotflinte fast ausschließlich Patronen von Pappe gebraucht werden, benutzt man für die Büchse nur Messinghülsen. Der sich entwickelnde Gasdruck ist überaus stark (bis 4000 Atmosphären) und mit dem der Pulverladung der Schrotflinte nicht zu vergleichen (400–600 Atmosphären). – Pfropfen werden beim Laden von Kugelpatronen nicht benutzt; man schüttet die Pulverladung in die Hülse und setzt darauf das Geschoß. Nur muß zwischen Pulver und Geschoß ein gewisser Zwischenraum bleiben, der sogar bei den rauchlosen Blättchenpulvern unerläßlich ist; denn dieses braucht zur richtigen Entwicklung einen leeren Raum (Fig. 24 und 25). Was die Treibmittel anlangt, so verdrängen auch bei der Büchsenpatrone die rauchlosen Pulver die alten Schwarzpulver (Naßbrandpulver) immer mehr. Ueberwiegend wird Troisdorfer Blättchenpulver benutzt; auch ein neues Rottweiler Pulver für den Büchsenschuß sowie das Haslocher rauchlose Büchsenpulver haben schon viele Anhänger. – Militärgeschosse sind für Jagdzwecke nur in einzelnen besonderen Fällen brauchbar; der Jäger will eben das Wild so schnell als möglich töten oder doch so schwer verletzen, daß es nicht mehr weit flüchten kann. Dazu sind besondere Geschosse notwendig. – In Langgeschossen, die heute für die Jagd gebraucht werden, herrscht gegenwärtig ein richtiger Wirrwarr, und es gehört geradezu ein Spezialstudium dazu, alle diese Geschosse zu kennen und auszuproben. Die verschiedenen Büchsenkaliber haben natürlich verschiedene Geschosse; außerdem ist das Material und die Form der einzelnen Geschosse überaus verschieden.

Im allgemeinen unterscheidet man zwei Gruppen von Geschossen, also Bleigeschosse (Hartblei, Weichblei) und solche mit einem Mantel aus Stahlblech (Mantelgeschosse). Von diesen gibt es auch wieder eine Menge Abarten. Für Schwarzpulver und Bleigeschoß kommen hauptsächlich die Patronen 9,3/72 und 9,3/82 in Betracht (Fig. 26 und 27), während es für Mantelgeschosse und Blättchenpulver eine ganze Anzahl von Patronen mit stärkeren oder schwächeren Ladungen gibt (Fig. 2834). Die gebräuchlichsten Geschosse dazu sind auch in großer Auswahl vorhanden (Fig. 35). Die Kugelpatronen mit schwächeren Ladungen werden meist für kleineres Raubzeug (Fuchs, Katze u.s.w.) gebraucht, ebenso[229] für den Rehbock, wofür schließlich auch die mittelstarken Ladungen geeignet sind. Die starken Ladungen benutzt man zur Jagd auf Rot- und Schwarzwild, die allerstärksten (bis 4 g Blättchenpulver) eignen sich besonders für Elche, Bären, Löwen und Tiger. Schon daraus erklärt sich die große Anzahl der Kugelpatronen einigermaßen. Schließlich sind auch die Ansichten der Jägerwelt über die verschiedenen Kaliber und Geschoßarten noch sehr geteilt.

3. Büchsflinte, Doppelbüchse und Dreilaut (Drilling). Auf vielen Jagden ist es sehr angenehm und vorteilhaft, wenn man neben dem Kugellauf auch einen Schrotlauf zur Verfügung hat. Man half sich zunächst so, daß man einen Kugellauf und einen Schrotlauf nebeneinander legte und sie durch eine Laufschiene miteinander verband. So entstand die Büchsflinte (Fig. 36). Legt man den Kugellauf nicht neben, sondern unter den Schrotlauf, so erhält man die Bockbüchsflinte. Modernen Ansprüchen genügten aber diese Kombinationen nicht; man ging deshalb zum Dreilauf (Drilling) über. Als es noch keine Stahlläufe gab, war diese Waffe ziemlich schwer und fand deshalb wenig Anhänger. Mit der Einführung der Stahlläufe wuchsen aber die Anhänger des Dreilaufes, denn er bekam nun infolge der Leichtigkeit des Materials ein erträglicheres Gewicht. Die große Beliebtheit des Dreilaufes erklärt sich aus dem Wunsche der meisten Jäger, Doppelflinte und Büchse in einer Waffe vereinigt zu haben. Früher mußte man bei längeren Jagdausflügen zwei Gewehre mitnehmen (Doppelflinte und Büchse); heute genügt die Mitnahme des Dreilaufs vollständig. Gewöhnlich sind die Läufe so angeordnet, daß die beiden Schrotrohre oben und der Kugellauf unten liegt (Fig. 37); dies ist die gebräuchlichste Form der Zusammensetzung. Für gutbesetzte Niederjagden bedient man sich häufig des Schrotdrillings (drei Schrotläufe) (Fig. 38), für Rotwildjagden des Doppelbüchsdrillings (zwei Kugelläufe, ein Schrotlauf) (Fig. 39). Neuerdings ist man sogar dazu übergegangen, Vierlinge zu bauen, also zwei Kugelläufe und zwei Schrotläufe zusammenzulegen. Man hat dann Doppelbüchse und Doppelflinte in einer Waffe vereinigt. Trotzdem die Idee des Vierlings an sich nicht schlecht ist, haben diese Waffen – hauptsächlich wegen ihres schweren Gewichtes und ihrer Unhandlichkeit – wenig Liebhaber gefunden.


Literatur: Skowronnek, Die Jagd, Bielefeld und Leipzig 1901; Deinert, Schießen mit der Schrotflinte, 2. Aufl., Berlin 1905; Queisner, R.W., Schießen mit der Büchse, 2. Aufl., Berlin 1907; Koch, Jagdwaffenkunde, Berlin 1899; Preuß, Lehrbuch des Flintenschießens, Neudamm 1905; Grashey, Praktisches Handbuch für Jäger, 2. Aufl., Stuttgart 1906.

R.W. Queisner.

Fig. 1.
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Fig. 3., Fig. 4., Fig. 5.
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Fig. 6.
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Fig. 7.
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Fig. 8., Fig. 9., Fig. 10.
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Fig. 11., Fig. 12., Fig. 13.
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Fig. 15., Fig. 16.
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Fig. 17.
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Fig. 18.
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Fig. 19., Fig. 20.
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Fig. 21.
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Fig. 22.
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Fig. 23., Fig. 23a.
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Fig. 24., Fig. 25.
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Fig. 36., Fig. 37., Fig. 38., Fig. 39.
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Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 5 Stuttgart, Leipzig 1907., S. 223-230.
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