Anderssen

[496] Anderssen, Adolf, einer der berühmtesten Schachmeister, geb. 6. Juli 1818 in Breslau, gest. daselbst 13. März 1879, studierte Mathematik und Philosophie, wurde 1847 Hilfslehrer am Breslauer Friedrichs-Gymnasium, 1852 Oberlehrer und 1856 Professor an demselben. Die erste Anleitung zum Schachspiel erhielt er von seinem Vater; bei öftern Besuchen in Berlin bekam er später Gelegenheit, mit den dortigen starken Spielern in die Schranken zu treten. 1851 übernahm er die Redaktion der Berliner »Schachzeitung«, wurde für das zu London bei Gelegenheit der ersten Weltausstellung (1851) ausgeschriebene Schachturnier zum Vertreter der deutschen Schule erwählt, wo er außer andern Koryphäen den englischen Meister Staunton besiegte und den ersten Preis errang. Von da an galt er unbestritten für einen der ersten Meister der Welt und Deutschlands Vorkämpfer. Diesen Ruf, den er durch Gewinn des ersten Preises in den beiden nächstfolgenden großen internationalen Turnieren (London 1862, Baden 1870) vollauf bewährte, konnten einzelne Mißerfolge Anderssens in Matches (besonders 1858 zu Paris gegen P. Morphy und 1866 zu London gegen Steinitz) um so weniger trüben, als für A. ungünstige Nebenumstände das Ergebnis dieser Kämpfe stark beeinflußt hatten. A. siegte ferner auf mehreren deutschen Turnieren, in einem Match gegen Kolisch etc. Anderssens Siege im Ausland sind für[496] den Aufschwung des deutschen Schachs entscheidend geworden. Jahrzehnte hindurch haben sich die jüngern deutschen Spieler wesentlich an den Partien des »Altmeisters« A. gebildet, und im praktischen Kampfe mit ihm erstarkten jüngere Meister. Anderssens Spiel war durchaus dasjenige der sogen. alten Schule: ein scharfes, kombinationsreiches, oft tief angelegtes Angriffsspiel, das kleine Vorteile vielfach verschmähte und säumiger Verteidigung gegenüber den höchsten Glanz zu entwickeln vermochte (»unsterbliche Partie« gegen Kieseritzky). Der Einfluß dieser genialen Spielführung dauert, im Widerspruch zur »neuen Schule«, noch jetzt fort. Vgl. Bachmann, Adolf A. (Ansb. 1902).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 496-497.
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