Anfechtung

[511] Anfechtung, im weitern Sinn in der Rechtssprache jeder durch Anrufung des Gerichts erfolgende Angriff gegen die Gültigkeit einer Rechtshandlung oder einer Entscheidung. Unter A. im eigentlichen Sinn versteht man (unter Ausscheidung jener Fälle, in denen eine Rechtshandlung nichtig ist) nur den Fall, in dem aus außerhalb der Rechtshandlung liegenden Gründen die Ungültigkeit der an sich gültigen Rechtshandlung (z. B. A. eines Geschäfts wegen Betrugs oder Zwanges) herbeigeführt wird. (S. Nichtigkeit und Ungültigkeit, ferner bezüglich der A. wegen offenbarer Unbilligkeit s. Arbitrator.) Eine besondere Art der A., von der in der Konkursordnung (§ 29–42) und in dem Reichsgesetz vom 21. Juli 1879, betreffend die Rechtshandlungen eines Schuldners, gehandelt wird, richtet sich gegen die Benachteiligung oder Verkürzung der Gläubiger, die nach gemeinem Rechte den Gegenstand der Paulianischen Klage (actio Pauliana) bildeten. Eine erfolgreiche A. dieser Art, die auch gewissen Rechtsnachfolgern des Empfängers gegenüber gestattet ist, führt nur dazu, daß der angefochtenen Handlung ihre Wirksamkeit gegenüber den Konkursgläubigern oder den anfechtenden Glaubigern versagt und der Anfechtungsbeklagte zur Rückgewähr dessen verpflichtet wird, was durch die angefochtene Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert oder weggegeben oder aufgegeben worden ist. Im übrigen wird die Gültigkeit der angefochtenen Handlung durch eine erfolgreiche A. dieser Art nicht berührt. Die erwähnte A., zu der im Konkursverfahren nur der Konkursverwalter berechtigt ist, kann nicht bloß durch Klage, sondern auch mittels Einrede erfolgen. Die Anfechtungsgründe sind in den beiden Gesetzen nicht ganz in derselben Weise geregelt. Im Konkursverfahren wie außerhalb desselben ist die A. gestattet: 1) wenn der Schuldner in der Absicht, seine Gläubiger zu benachteiligen, gehandelt und der Erwerber von dieser Absicht Kenntnis gehabt hat, was in gewissen Fällen bis zum Beweise des Gegenteils anzunehmen ist; 2) wenn der Schuldner in den letzten Jahren vor der Konkurseröffnung oder vor der Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs eine unentgeltliche Verfügung vorgenommen hat. Im Konkursverfahren unterliegen außerdem der A. Handlungen, die nach dem Antrag auf Konkurseröffnung oder nach der Zahlungseinstellung (s. d.) oder doch kurze Zeit vorher erfolgten, und bezüglich deren anzunehmen ist, daß der Erwerber von den erwähnten Tatsachen oder von einer Begünstigungsabsicht des Schuldners Kenntnis hatte. Dadurch, daß für die anfechtbare Handlung ein vollstreckbarer Schuldtitel erlangt war, oder sie durch eine Zwangsvollstreckung oder durch Arrest erwirkt worden ist, wird die A. nicht ausgeschlossen. – In Österreich hat ein Gesetz vom 16. März 1884 die A. wegen Verkürzung der Gläubiger in ähnlicher Weise geregelt, wie es im Deutschen Reiche geschehen[511] ist. Vgl. Cosack, Das Anfechtungsrecht der Gläubiger (Stuttg. 1884); Hartmann, Gesetz, betreffend A. von Rechtshandlungen (4. Aufl., Berl. 1892); Jäckel, Die A. von Rechtshandlungen zahlungsunfähiger Schuldner außerhalb des Konkurses (2. Aufl., das. 1889); Luks, Das Anfechtungsgesetz vom 21. Juli 1879 und die § 22 ff. der Konkursordnung, erläutert durch die Entscheidungen des Reichsgerichts (2. Aufl., das. 1902); Krasnopolski, Das Anfechtungsrecht der Gläubiger nach österreichischem Recht (Wien 1889).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 511-512.
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