Anquetil

[553] Anquetil (spr. angk'til), 1) Louis Pierre, franz. Historiker, geb. 21. Jan. 1723 in Paris, gest. 6. Sept. 1806, studierte auf dem Collège Mazarin Theologie, trat in die Kongregation von Sainte-Geneviève, wurde in Reims Seminardirektor, dann Direktor des Collège von Senlis und endlich Pfarrer in La Villette bei Paris. Während der Schreckenszeit 1793–94 war er eingekerkert. Bei Gründung des Instituts ward er Mitglied der zweiten Klasse, unter Napoleon I. beim Ministerium des Auswärtigen angestellt. Sein bestes Werk ist die »Histoire de Reims« (1756–57, 3 Bde.). Weniger wertvoll sind sein »Précis de l'histoire universelle« (Par. 1797, 9 Bde.; 1834, 12 Bde.) und die »Histoire de France depuis les Gaules jusqu'á la fin de la monarchie« (das. 1805, oft aufgelegt; neue Ausg., fortgesetzt von Bande, 1876–79, 11 Bde.). Seine übrigen Schriften sind wertlos.

2) Abraham Hyacinthe A.-Duperron, Bruder des vorigen, Orientalist und Begründer des Studiums der Zendreligion, geb. 7. Dez. 1731 in Paris, gest. 17. Jan. 1805, studierte Theologie und orientalische Sprachen. Um die heiligen Schriften der Parsen zu erlangen, nahm er 1754 als Soldat auf einem nach Indien bestimmten Schiff Dienste, worauf die französische Regierung in Anerkennung seines Eifers ihm eine Unterstützung für seine Forschungsreisen bewilligte. Von den Parsen in Surat erwarb er Handschriften des Zendavesta und der spätern persischen Religionsbücher und ließ sich von dem Destur (Oberpriester) Darab eine neupersische Übersetzung des Zendavesta in die Feder diktieren. Nach der Einnahme von Ponditscherri kehrte A. 1761 mit 180 Manuskripten etc. nach Europa zurück und ließ sich in Paris nieder. Er erhielt das Amt eines Dolmetsch der orientalischen Sprachen bei der königlichen Bibliothek, der er einen Teil seiner Schätze schenkte. Sein Hauptwerk. »Zend-Avesta, ouvrage de Zoroastre« (Par. 1771; deutsch von Kleuker, Riga 1776–78), machte als die erste Übersetzung dieses wichtigen Religionsbuches in ganz Europa großes Aufsehen. Ein großes Verdienst erwarb sich A. ferner durch seine nach zwei persischen Manuskripten angefertigte lateinische ÜbersetzungOupnek'hat«, Straßb. 1801–1802, 2 Bde.) einer 1657 verfaßten persischen Übertragung der wichtigsten indischen »Upanischads«. Während der Revolution lebte A. in tiefster Zurückgezogenheit nur seinen Büchern und Erinnerungen. Er ward Mitglied des Nationalinstituts, trat jedoch aus Mißvergnügen über die Lage Frankreichs aus und starb in dürftigen Umständen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 553.
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