Astarte [2]

[896] Astarte (griech.; aramäisch Attār, kananäisch-hebräisch Aschtōreth), größte semitische Göttin, die Gemahlin des Gottes Baal und als solche auch Baaltis (Baalat) genannt. Im Gegensatze zu Baal, dem männlichen, zeugenden Prinzip, dem Herrn der Schöpfung, dem Lichtgott, verkörpert im Sonnenball (s. Baal), ist A. das weibliche, empfangende, gebärende Prinzip, die Göttin der Zeugungskraft der Natur, die Göttin des Naturlebens in seinem Entstehen und Vergehen. Die Mondsichel, mit der ihr Haupt bisweilen geschmückt erscheint, deutet darauf, daß der Mond als ihr Gestirn galt. A. ist die Göttin der Liebe, der Fruchtbarkeit und der Zeugung. Ihren Priestern war Ehelosigkeit, ihren Priesterinnen strengste Keuschheit zur Pflicht gemacht. Dagegen verlangte ihr Kultus, daß sich die Jungfrauen an ihren Festen preisgaben und ihren Erwerb an das Heiligtum ablieferten oder zu Opfern verwendeten, als welche sie am liebsten Ziegenböcklein darbrachten (wie die Hetären der Aphrodite Pandemos bei den Griechen und die Verehrer der Liebesgöttin in Paphos). Daneben fehlte es auch nicht an männlichen Hierodulen. A. war aber auch Göttin des Krieges; als solche erscheint sie mit dem Speer bewaffnet und bald auf einem Löwen, bald auf einem Stiere reitend. – Über die babylonisch-assyrische Göttin Istar, die mehrfach besondere Züge aufweist, manche aber auch mit der westasiatischen A. teilt (insbes. den unzüchtigen Kultus) und in einigen sogar (z. B. der Tammuz-Mythe) die außerbabylonischen Astartesagen beeinflußt haben dürfte, s. Istar. Wie bei den Babylonier-Assyrern der Name Istar auch für Göttin überhaupt gebraucht wurde, so trug auch bei den Phönikern und Aramäern jede Baalat, d.h. jede Göttin als Gemahlin eines beliebigen Baal oder Stamm-, Stadt-, Berggottes etc. (s. Baal), mit Vorliebe den Namen Aschtoreth, Attār, wozu dann noch der Name ihres Gemahls gesetzt werden konnte; z. B. Aschtor des Kamosch in Moab sowie die aramäische Göttin Atargatis, d.h. Attār des Gottes Hate, woraus Derketo (s. d.) korrumpiert ist.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 896.
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