Hetärīe

[282] Hetärīe (griech., »Verein, Klub, Bündnis von Freunden«) nannte man im alten Griechenland die Vereinigung von Parteigenossen zum Zweck gegenseitiger Unterstützungen bei Bewerbungen, Prozessen, u. dgl. Diese Hetärien erlangten in bewegten Zeiten erhöhte Bedeutung und, als Geheimbünde organisiert, deren Mitglieder sich durch Eide verpflichteten, großen, oft verderblichen Einfluß; so namentlich die oligarchischen Hetärien in Athen während des Peloponnesischen Krieges, die den Staat im Innern zerrütteten, 411 v. Chr. einen Staatsstreich versuchten, durch verräterische Verbindung mit dem Feind seine Verteidigungskraft lähmten und endlich die Herrschaft der Dreißig ausrichteten. Der Name hat sich in Griechenland bis auf die neuere Zeit als Bezeichnung einer Verbrüderung erhalten. Selbst auf gelehrte Vereine außerhalb der Grenzen Griechenlands wurde der Name übertragen. Besonders ist er bei den verschiedenen Versuchen der Neugriechen, das türkische Joch abzuschütteln, vornehmlich von zwei Verbindungen, einer wissenschaftlichen, den Philomusen, und einer politischen, im griechischen Freiheitskampf oft genannten, gebraucht worden. Der Zweck der erstern, die 1812 in Athen gegründet wurde, war, in ganz Griechenland Schulen anzulegen und wissenschaftliche Zeitschriften zu verbreiten sowie einen Fonds zur Ausgrabung und Erhaltung der Altertümer, zur Anlegung einer Bibliothek und eines Museums in Athen, zur Herausgabe der griechischen Klassiker in den Urschriften und Übersetzungen und zur Unterstützung einzelner junger Griechen auf europäischen Universitäten zu sammeln. Sie wuchs bald zu einem großen Bunde heran, der zwei Lehranstalten oder Lyzeen, das eine zu Athen, das andre zu Milias in Thessalien, stiftete und durch Beiträge der Mitglieder unterhielt. Der Verein soll bald über 80,000 Mitglieder gezählt haben, darunter Ge lehrte und Staatsmänner fast aus allen Nationen. erlosch aber, seit er durch die Errichtung des Königreichs Griechenland seine ursprüngliche Bestimmung teilweise verloren hatte. Die politische H. verdankt ihren Ursprung dem Thessalier Konstantin Rhigas, der sich mit gebildeten und patriotisch gesinnten Männern zu einer H. verband, um eine gewisse Übereinstimmung in alle auf Befreiung Griechenlands vom türkischen Joch abzielenden Unternehmungen zu bringen. Rhigas' Hinrichtung (1798) ließ es nicht zu dem angestrebten Erfolg kommen; doch waren einmal der Enthusiasmus und der Vereinigungstrieb unter den Griechen angeregt, so daß 1814 in Odessa eine neue H., die rein politische H. der Philiker (Philike Hetairia), zu dem gleichen Zweck gestiftet ward. Nur Griechen fanden darin Aufnahme, und kein Mitglied durfte zugleich einer andern geheimen Gesellschaft angehören. Die Aufzunehmenden mußten sich hinsichtlich ihres Lebenswandels, ihrer Gesinnungen und ihrer Vermögensumstände einer Prüfung unterziehen und einen zu Frömmigkeit, Vaterlands- und Freiheitsliebe verpflichtenden Eid leisten, und erkannten sich, wie die Freimaurer, an gewissen Zeichen der Hand und Stellungen der Finger. Als alles zum Aufstand bereitet und dem russischen General Fürsten Alexander Ypsilantis die Oberleitung übertragen war, führte dieser 1821 durch seine verfehlte Erhebung in den Donaufürstentümern die Katastrophe herbei (vgl. Griechenland,[282] S. 313). Seitdem übten Mitglieder der H. auf den Freiheitskampf nur einen schädlichen Einfluß aus. Über die panhellenische H. von 1896 s. den Art. »Ethnike Hetairia«. Vgl. Mendelssohn-Bartholdy, Die H. (in Sybels »Historischer Zeitschrift«, Bd. 16, 1866).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 282-283.
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