Höhlenfauna

[461] Höhlenfauna (Grottenfauna), die Gesamtheit der in Höhlen lebenden Tiere, die ganz verschiedenen Ordnungen angehören. Für die H. kommen nur die meist Kalkgebirgen angehörigen, oft sehr geräumigen Höhlen in Betracht, die wenigstens teilweise vom Tageslicht abgeschlossen sind. Berühmt durch ihre reiche[461] H. sind die Krainer Höhlen, die Grotten in Montenegro, Ungarn, Kroatien, Dalmatien und den Pyrenäen, die Mammuthöhle in Kentucky in Nordamerika, die Grotte Cacahuamilpa in Mexiko und Höhlen auf den Philippinen. Auch die Tropfsteinhöhlen Deutschlands enthalten eine interessante H., die aber andern Höhlen nachsteht. Nicht als Höhlentiere werden solche Tiere bezeichnet, die sich selbst Höhlen oder Gänge in der Erde graben. Auch die in den vordern, noch Dämmerlicht zeigenden Partien größerer Höhlen lebenden Tiere gehören nicht eigentlich zur H. Am besten unterscheidet man drei Gruppen von Höhlentieren: 1) zufällige Höhlenbewohner, die überall, auch außerhalb der Höhlen, unter den ihnen zusagenden Bedingungen leben; 2) Höhlenliebende (Troglophilen), deren Vorkommen in Höhlen normal, außerhalb derselben selten und mehr zufällig ist; sie leben überwiegend in den vom Tageslicht erreichten Teilen; 3) in Höhlen lebende Tiere (Troglobien), die ausschließlich in unterirdischen Grotten in völliger Nacht leben. Die höchsten Formen der H. sind Amphibien, so der in unterirdischen Wasserläufen der Adelsberger Grotte und andern Höhlen in Krain lebende Olm (Proteus anguineus) und ein andrer in Texas gefundener farbloser und blinder Molch (Typhlomolge Rathbuni) von 10 cm Länge, mit blutroten Kiemen, langen, steifen Beinen, vierfingerigen Händen u. fünfzehigen Füßen. Von Fischen ist aus der Mammuthöhle in Kentucky eine Reihe von Arten bekannt (Amblyopsis spelaeus [s. Höhlenfisch], Typhlichthys subterraneus u. a.), in einem etwa 8 km vom Eingang befindlichen Wasserbecken lebend, und ebenso andre Arten aus asiatischen Höhlen. Sie zeigen gleich dem Olm die Merkmale der Höhlenbewohner: Pigmentlosigkeit und rudimentäre Sehorgane. Sehr zahlreich sind unter der H. die Insekten vertreten, so in den Höhlen von Krain Käfer in zahlreichen Gattungen, ebenso in amerikanischen und spanischen Höhlen, z. B. die Gattungen Anophthalmus, Adelops, Leptoderus u. a., viele davon sind blind. Orthopteren, Hymenopteren und Dipteren finden sich nur wenige, dagegen häufig Springschwänze, die fast in keiner Höhle fehlen und in verschiedenen Gattungen und Arten bekannt sind. Tausendfüßer, Spinnen und Milben sind ebenfalls häufig. Von den Krebsen ist am bekanntesten der blinde Flußkrebs der Mammuthöhle; häufig sind Amphipoden, Asseln und Ruderfüßer. Von Würmern finden sich einige Ringelwürmer, Nematoden und Planarien (die farblose Planaria cavatica). Von Schnecken kennt man verschiedene kleine Formen (Zospeum, Carychium), in den Gewässern auch Hydrobia und Paludina. Protozoen werden gewiß häufig zur H. gehören, man kennt Infusorien (Carchesium, Dendrocometes, Amöben u. a.). Die völlige Dunkelheit, in der die echte H. lebt, hat vielfach zu einer Verkümmerung und selbst zum vollständigen Schwund der Sehorgane geführt, eine für die H. sehr charakteristische Erscheinung. Bei dem Olm und den sogen. blinden Höhlenfischen sind zwar die Augen noch vorhanden, aber sie sind klein und von der Körperhaut überzogen; auch bei Krustern, Mollusken und Insekten der H. finden sich rudimentäre Augen oder an deren Stelle (z. B. bei Springschwänzen) sogar tasterähnliche Bildungen. Zahlreiche Tiere der H. sind aber völlig blind, von denen einige Hundert blinde Insektenarten, besonders Käfer, bekannt sind, aber auch viele andre Gliedertiere (Springschwänze, Tausendfüßer, Spinnentiere, Kruster), bei denen sich alle Übergänge in der Rückbildung der Augen bis zu völligem Augenmangel verfolgen lassen. Eine zweite, ebenfalls dem Mangel an Licht zuzuschreibende, bei vielen Arten der H. sich findende Eigentümlichkeit ist die Pigmentlosigkeit, wie sie besonders auffallend beim Olm und den Fischen sich zeigt und auch vielen Krebsen, besonders Asseln und Amphipoden, sowie auch den Springschwänzen eigen ist. Ihre Nahrung finden die Höhlentiere teils in den Resten der abgestorbenen oder, wenn sie Räuber sind, in andern Höhlentieren, teils aber in den von außen hineingeschwemmten vegetabilischen Resten, doch ist die Ernährung jedenfalls recht spärlich, wie überhaupt die Existenzbedingungen für die Entwickelung einer reichern Fauna recht ungünstige sind. Vgl. Rougemont, Etude de la faune des eaux privées de la lumière (Par. 1876); Wiedersheim, Beiträge zur Kenntnis der württembergischen H. (Würzb. 1873); Fries, Die Falkensteiner Höhle, ihre Fauna und Flora (das. 1874); Hamann, Europäische H. (Jena 1896).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 461-462.
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