Majestätsverbrechen

[753] Majestätsverbrechen (Crimen laesae maejestatis) hieß ursprünglich bei den Römern jedes dolose Unternehmen, welches gegen die Majestät u. Sicherheit des Römischen Staates u. Volkes unternommen wurde. Mit diesem Begriff wurde das Crimen laesae majestatis, zuerst gegen Ende der republikanischen Zeit durch verschiedene Gesetze (Lex Apuleja vom Jahre 102 v. Chr., Lex Varia 90 v. Chr., Lex Cornelia 81 v. Chr.), Anfangs nur zur Aushülfe für solche Fälle, welche nicht dem Begriffe der eigentlichen Perduellion (s.d.) unterfielen, ausgebildet; später wurden aber auch alle früher unter dem Begriff der Perduellion gestellten Fälle in den Begriff des M-s mit aufgenommen, so daß dasselbe jeden Angriff auf das Bestehen, die Sicherheit u. Ehre des römischen Staatswesens in sich schloß. Seit dem Untergange der Republik rechnete man hierzu auch die Angriffe gegen die Person des Regenten, ja in der spätem Kaiserzeit wurden auch die Angriffe gegen hohe Beamte als M. behandelt, u. dabei der Umfang der darunter fallenden Handlungen so weil ausgedehnt, daß auch der Gedanke u. Wille für ebenso strafbar, als die That selbst erklärt wurde. Diesem weiten Begriffe der M, schloß sich auch das Canonische Recht u., da die Peinliche Gerichtsordnung Karls V besondere Strafbestimmungen nicht enthielt, auch das gemeine Deutsche Recht an. Erst ziemlich spät wurden durch die Doctrin genauere Unterscheidungen zwischen den verschiedenen Arten der M durch Trennung des Hochverraths (s.d), Landesverraths (s.d.) u. der Majestätsbeleidigung eingeführt. Seitdem pflegt unter M. im engeren Sinne nur die Majestätsbeleidigung begriffen zu werden, u. in dieser Absonderung erscheint das M, auch in den neueren Strafgesetzbüchern. Der Thatbestand des Verbrechens setzt voraus, daß Jemand vorsätzlich, jedoch ohne hochverrätherliche Absicht, das Staatsoberhaupt od. ein Glied der Familie desselben durch Handlungen, Worte od. Unterlassungen ehrfurchtswidrig behandelt. Der Vorsatz wird in der Weise erfordert, daß der Thäter wissen mußte, er habe es mit dem Regenten zu thun; wer daher eine Person,[753] welche ihm nicht als der Regent bekannt ist, beschimpft, macht sich wohl einer Injurie, nicht aber eines M-s schuldig. War dagegen dem Thäter die Regenteneigenschaft bekannt, so können auch Handlungen, welche gegen Privatpersonen noch keine Beleidigung enthalten würden, doch gegen den Regenten begangen, ein M. begründen, weil das Staatsoberhaupt berechtigt ist, eine höhere Ehrerbietung in Anspruch zu nehmen, als eine Privatperson, deshalb können die Einreden der Wahrheit u. der Compensation (s.u. Injurie) hierbei nicht zu einer Aufhebung der Strafbarkeit führen. Einige machen einen Unterschied, ob der Regent als Staatsherrscher od. nur in seiner Eigenschaft als Privatperson (Crimen laesae venerationis) beleidigt wurde. Gegen verstorbene Monarchen sind Majestätsbeleidigungen undenkbar, u. nur die Grundsätze über Ehrenkränkungen Verstorbener anzuwenden. Die Herabwürdigung von Regierungshandlungen bildet der Regel nach ebenfalls keine Majestätsbeleidigung, da dafür in den constitutionellen Staaten zunächst die Minister verantwortlich sind u. der Tadel als gegen diese gerichtet zu betrachten ist. Doch haben manche Strafgesetzbücher daraus ein eigenes Verbrechen gebildet. Die gerichtliche Verfolgung der Majestätsbeleidigung setzt gewöhnlich eine besondere Ermächtigung Seitens des Justizministeriums voraus. Als Strafe ist jetzt nur noch für den äußersten Fall der vorbedachten thätlichen Mißhandlung des Regenten mehrfach der Tod angedroht, sonst besteht dieselbe je nach der Schwere des Verbrecheus meist in Zucht- od. Arbeitshaus u. nach dem baierischen Gesetzbuch außerdem in öffentlicher Abbitte vor dem Bilde des Königs. Vgl. Haubold, De leg. crimine laesae majestatis, Lpz. 1786; Beuker, De crim. majestatis, Frankf. 1729; Diek, De crim. mai. apud Romanos, Halle 1821; Grünebusch, De crim. perduellionis atque mai. ap. prise. Rom., Zelle 1802.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 753-754.
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