Publicität

[675] Publicität (Öffentlichkeit), umfaßt diejenigen Einrichtungen u. Befugnisse, durch welche es den Mitgliedern des Staats möglich wird, die Art kennen zu lernen, wie die öffentlichen Angelegenheiten behandelt u. besorgt werden, u. zugleich die [675] Befugniß der freien Prüfung u. Gedankenmittheilung über dieselbe, bes. über Handlungen der Regierung u. der Volksvertreter. In der Theorie hat das Volk allerdings das Recht zu wissen, wie regiert werde, u. seine Stimme, seine Ansichten u. sein Urtheil über seine Angelegenheiten abzugeben. Auf der andern Seite lehrt aber die Praxis, daß P., unvorsichtig gegeben, das Volk aufregt, ohne daß der Zweck der P. erreicht wird u. daß durch freie Rede in öffentlichen Sachen viel Ungehöriges angeregt wird. Die Art, wie die P. angewendet werden soll, ist daher einer der wichtigsten Differenzpunkte zwischen den Anhängern des Absolutismus u. den Liberalen. Während jene die P. beschränkt wissen wollen, rathen diese zu unbeschränkter P. Die P. bezieht sich hauptsächlich a) auf Preßfreiheit, s. u. Censur. b) P. der Verhandlungen, so bei Landtagen u. ähnlichen Institutionen, z.B. Communalverhandlungen. Im Publicum vermindert sich die Theilnahme an diesen in dem Maße, als die P. der Verhandlungen mehr od. minder beschränkt ist, man hat aber diese P. zu erhalten gesucht, indem dem Publicum freier Zutritt zu den ständischen od. communalen Versammlungen gestattet ist, od. daß man die Verhandlungen dem Druck übergibt. c) Auch den Staatshaushalt, die Angaben des Finanzzustands, der Einnahmen u. Ausgaben, der Schulden, hat man neuerdings öffentlich gemacht, denn da das Volk verpflichtet ist, Abgaben zu leisten u. die Lasten des Staats zu tragen, so ist es auch berechtigt zu erfahren, wie u. wozu seine Leistungen verwendet werden. d) Die P. des Gerichtsverfahrens ist jedenfalls wichtiger bei der Criminalals bei der Civilgerichtsbarkeit, bei welcher letztern es sich meist um blose Privatangelegenheiten handelt, währendjedes Verbrechen die öffentliche Sicherheit beeinträchtigt u. überdies Fälle vorkommen können, wo, wie z.B. bei politischen Verbrechen, die Regierung selbst Partei ist, u. in dem öffentlichen Gerichtsverfahren eine Garantie gegen parteiische Richtersprüche liegt; s. Öffentlichkeit. Daß e) P. bei diplomatischen Verhandlungen, welche noch nicht zu einem Abschluß gediehen sind, nicht anwendbar ist, versteht sich von selbst.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 13. Altenburg 1861, S. 675-676.
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