Sprechmaschine

[596] Sprechmaschine, eine 1778 von Kempelen (s.d.) erfundene Maschine, welche die menschliche Sprache nachahmt. Sie ist mit Theilen versehen, welche wie die menschlichen Sprachorgane eingerichtet sind, hat daher ein künstliches Mundstück od. eine Stimmröhre, welche die Stimmritze der menschlichen Luftröhre ersetzt, eine Windlade u. Blasebalg statt der Lunge u. einen künstlichen Mund mit seinen Nebentheilen u. Nasenlöchern. Alle diese Theile werden durch eine besondere Maschinerie, wozu Klappen, Federn u. kleine Hebel gehören, in Bewegung gesetzt. Nach Kempelen haben auch Andere, bes. Müller, S-n herzustellen gesucht. Bei der vom Professor Joseph Faber in Wien 1845 erfundenen S. hat der in der Maschine sprechende Mund im Inneren genau die Dimensionen des menschlichen Mundes u. läßt sich durch den Mechanismus des Werkes in alle Stellungen u. Bewegungen bringen, welche die natürlichen Sprachwerkzeuge zur Hervorbringung articulirter Laute erfordern. Ein Blasebalg vertritt die Lunge u. drängt durch ein Gummirohr die Luft in den künstlichen Kehlkopf. Hier wird durch elastische Schwingungen dünner Lamellen der Laut auf ähnliche Weise hervorgebracht, wie in der Natur durch die Schwingungen der Kehlbänder. Die schwingende u. dadurch tönende Luft strömt in die Mundhöhle, welche durch nachgebildete Zunge, Lippen u. Gaumen begrenzt u. abgetheilt, von einem festen Oberkiefer u. einem beweglichen Unterkiefer eingeschlossen u. mit Gummi elasticum bekleidet ist. Der Nasenkanal ist, wie die Luftröhre, durch eine Gummiröhre ersetzt, durch deren beliebiges Öffnen u. Schließen sich Jedermann deutlich von dem Einfluß dieses Organes auf die Aussprache gewisser Buchstaben, z.B. das m, n, ng, überzeugen kann. 16 Tasten leiten die zur Hervorbringung[596] der fünf Vocale u. der Consonanten b, f (v), g, h, l, r, s. sch, d, w; die 16. Taste bringt mit b verbunden das m, mit d das n hervor. Bei den meisten Buchstaben müssen mehre derselben zusammen angeschlagen werden. Das rasche Aneinandergreifen dieser, nicht immer mit den geschriebenen Buchstaben übereinstimmenden Grundlaute, bringt Sylben u. Wörter hervor. Der Verschluß des Nasenkanals durch ein künstliches Gaumsegel, die Verkürzung u. Verlängerung der im Kehlkopf schwingenden Lamelle etc., werden durch besondere Mechanismen bewirkt. Dadurch ist außer dem gewöhnlichen Sprechen auch ein Singen u. stimmloses Flüstern möglich. Letzteres ist vorzüglich geeignet die treue Nachahmung der einzelnen Laute zu zeigen. Hiermit sind nicht zu verwechseln die Sprechenden Figuren, große Puppen, zu welchen verborgene Röhren geleitet sind, welche durch den Körper bis zu dem Munde gehen, so daß das, was ein Mensch in einiger Entfernung in die Röhre spricht, aus dem Munde der Puppe zu kommen scheint. So war das sogenannte Unsichtbare Mädchen eingerichtet, mit welchem Schuchard 1810–15 Deutschland durchzog; es war eine Kugel mit vier Schalltrompeten an Metallstangen hängend u. durch ein Gitter umgeben u. gab auf Antworten durch eine leise, scheinbar aus der Kugel kommende Frauenstimme Antwort. Auch hier war die Stimme einer in der Nebenstube verborgenen Frauensperson, welche den Ton durch eine Röhre unter dem Fußboden u. durch das Gitter bis einer Trompete gegenüber brachte, wo er dann in diese hineinschallte u. von ihr zurückgeworfen, scheinbar aus derselben ertönte. Vgl. Kempelen, Mechanismus der menschlichen Sprache u. Beschreibung der sprechenden Maschine, Wien 1791; Beschreibung der Sprachmaschinen u. sprechenden Figuren, Nürnb. 1799.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 16. Altenburg 1863, S. 596-597.
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