Das Königreich Preußen

[489] Das Königreich Preußen gränzt gegen Mitternacht an die Ostsee, gegen Morgen und Mittag [489] an Pohlen, gegen Abend an Brandenburg, Pommern und die Ostsee. Der Boden ist größtentheils eben und fruchtbar, nur gegen Morgen und Mittag bergig und waldig, auch hin und wieder noch unangebaut; übrigens wird er von den drei Flüssen, die Weichsel, Pregel, Memel oder Niemen, mehrern Canàlen und vielen Seen durchströmt. Das Clima ist sehr veränderlich. Die Landesproducte bestehen in vielem Getreide, in Flachs, Hopfen, Honig, Tobak, Torf. Die Viehzucht ist beträchtlich, insbesondre die Pferdezucht in Litthauen. Unter den mineralischen Producten ist der Bernstein (s. diesen Art. im 1. Th.) das wichtigste, welches in einigen Gegenden an den Seeküsten gefunden wird. Die Manufacturen, welche bekannter Maßen in Preußen durch die so genannten Vestujies zuerst emporkamen, hoben sich unter Friedrichs II. Vater und Friedrich II. durch eine glückliche Vorsorge ungemein. Preußen liegt zum Handel sehr bequem, und führt auf mancherlei Art von Schiffen Getreide, Mastbäume, Theer, Leder, Pelzwerk, Bernstein, Caviar, Butter aus. Die Waren-Riederlage ist in Königsberg. Vorzüglich hat sich Friedrich der Große um die Preußische Handlung verdient gemacht. – Ueberhaupt waren es vorzüglich Friedrich II. und sein nicht minder großer Bater, welche das Königreich Preußen auf seinen von einem jeden bewunderten Gipfel erhoben. –

Ich kann mich nicht enthalten, dem Leser folgende Stelle aus Normanns Beschreibung der Churbrandenburgischen Länder (in seinem vortrefflichen Werke über Deutschland, S. 798) wörtlich mitzutheilen. »Die Geschichte des Brandenburgischen Hauses macht einen außerordentlichen Contrast mit der Geschichte so vieler andrer Deutschen Häuser. In den mehresten derselben ist die Reihe der schlechten Regenten so groß, sind der Verschwender und weichlichen Fürsten eine so große Menge: in dem Brandenburgischen Hause hingegen scheint der Geist der Sparsamkeit, guten Wirthschaft und Aufmerksamkeit auf innre Verbesserungen fast vom Anfang an herrschend zu sein; wenigstens ist die Zahl der schwachen Fürsten unendlich geringer. – So sehr die meisten andern sinken, hebt sich Brandenburg, seit es Könige hat. Die übrigen verfallen [490] in Indolenz, innere Entkräftung, oder kommen zum Theil merklich zurück, und waren vormahls so blühend und mächtig, so thätig und wohlhabend; Brandenburg hingegen, ehemahls ein kleines verachtetes Ländchen, wird die erste Erscheinung der Art, daß sich eine kleine ohnmächtige Provinz bloß durch gute innre Einrichtung, ohne große Eroberungen zur höchsten Stufe unter den Europäischen Reichen hinaufschwingt, und, bis dahin von allen übersehen, in einem Jahrhundert so mächtig wird, daß es im siebenjährigen Kriege die Hälfte der Macht Europens allein gegen sich aufnehmen konnte.«

Uebrigens kam Preußen – welches, als ein souverainer Staat, im 13. Jahrhundert von den Rittern des Deutschen Ordens erobert, und bis zu Anfange des 16. Jahrhunderts von denselben besessen, regiert und (bis auf einen Strich davon, den es an Pohlen verlor, und welchen erst 1772 Friedrich II. und völlig sein Nachfolger vindicirte) behauptet wurde, nach welcher Zeit es Pohlnisches Lehn und von Herzogen regiert wurde – erst spät, im 17. Jahrhunderte, an das Haus Brandenburg. Denn wiewohl Churfürst Joachim Friedrich von Brandenburg von 1605 bis 1608 Verweser des Herzogthums Preußen war, so erhielt doch erst Churfürst Johann Siegmund (1608–1620) in Pohlen die Belehnung mit dem Herzogthum Preußen. Erst Churfürst Friedrich Wilhelm der Große von Brandenburg wußte sich im J. 1657, im Welauer Vergleich, die Souverainität über das Herzogthum Preußen zu verschaffen, welche ihm in dem im J. 1660 zwischen Schweden und Pohlen geschloßnen Frieden zu Oliva (s. Oliva), dem er beitrat, bestätigt wurde.

Es besteht übrigens das Königreich Preußen aus folgenden drei Theilen:

1. Ostpreußen; hierin liegt Königsberg, die Hauptstadt des ganzen Reichs.

2. Westpreußen mit dem Netzdistricte, seit 1772 bestehend aus:

a) dem Westpreußischen Kammerdepartement, welches gegenwärtig einen Theil vom Ostpreußischen Oberlande, das Marienburger Gebiet, das Culmische Gebiet, nebst [491] der Landschaft Michelau, und ganz Pomerellen enthält. – Seit 1793 ist die Stadt Danzig hinzugekommen. (S. d. Art. im 1. Th.)

b) Das Westpreußische Kammerdepartement, wozu der Netzdistrict (der Strich Landes an beiden Seiten der Netze) nebst Thorn gehört.

3. Südpreußen, seit 17931).

Einwohner (ursprünglich Letten) zählt man in Preußen 2,700,000. In Ostpreußen wohnen Preußen, Litthauer und Pohlen; in Westpreußen und dem Netzdistrict Deutsche und Pohlen, außer andern, die sich hier niedergelassen haben. – Man spricht im ganzen Königreich drei Hauptsprachen, Deutsch, Litthauisch und Pohlnisch. Uebrigens findet man hier auch vereinigte Brüder, Memnoniten und Socinianer oder Unitarier, die im Andreaswalde ein Bethaus haben.

Außerdem besitzt der König von Preußen:

A. In Deutschland: die Mark Brandenburg, den größten Theil von Pommern, Stücke von den Grafschaften Mannsfeld und Hohenstein, das Herzogthum Magdeburg, das Fürstenthum Halberstadt, das Herzogthum Cleve, die Fürstenthümer Ostfrießland, Minden und Meurs, die Grafschaften Mark, Ravensberg, Teklenburg und Lingen, auch ein Stück vom Herzogthum Geldern, deßgleichen die Fürstenthümer Anspach und Bayreuth, nebst der Herrschaft Hausen.

B. Den größten Theil vom Herzogthum Schlesien nebst der Grafschaft Glatz.

C. In Helvetien: das Fürstenthum Neufchatel mit der Grafschaft Valengin.

Uebrigens geschahen im J. 1797 in Franken (s. diesen Art. 2. Th. S. 46) noch weitere Fortschritte in dem Plane, die Territorien der Brandenburgischen Fürstenthümer zu arrondiren und von fremden Landeshoheiten zu reinigen. Die Herausgeber des[492] Staatsarchivs der Fränkischen Fürstenthümer, Häulein und Kretschmann, suchten die Rechtmäßigkeit der königlichen Gewalt durch Deductionen geltend zu machen Durch die zweckmäßigere Preußische Organisation werden hier viele wichtige Veränderungen gemacht2).

Sämmtliche Preußische Lande enthielten – im J. 1792 – ungefähr 3630 Quadratmeilen, gegen 6 Millionen Menschen, und die Einkünfte aus allen Preußischen Staaten zusammen wurden auf 26 Millionen Thaler geschätzt.


Fußnoten

1 Die endliche Theilung des letzten Resis von Pohlen wird in dem Artikel Revolution in Pohlen mitgetheilt werden.


2 Die wichtigsten der Preußischen Länder außer Preußen sind in einzelnen Artikeln bemerkt worden.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 489-493.
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