Friedrich Freiherr von der Trenk

[222] Friedrich Freiherr von der Trenk, ein durch seine Schicksale sehr merkwürdiger Mann, der, wohl nicht ganz ohne seine Schuld, in Deutschland anfangs Freiheit und Vermögen, und da er, erst spät, zum Genuß von beiden wieder gelangt war, in Frankreich sein Leben unter der Guillotine verlor. Geboren zu Königsberg in Preußen 1726, besuchte er schon im 13ten Jahre die dortige Universität, nahm aber bald Kriegsdienste, wurde 1743 Cornett bei der Garde du Corps in Potsdam, und war schon im folgenden Jahre, bei dem Ausbruche des zweiten Schlesischen Kriegs, einer von Friedrichs des Großen Adjutanten. Allein er gerieth bald in Verdacht, mit seinem Vetter, dem mehr berüchtigten, als berühmten, Oestreichischen Panduren-Obristen, Trenk, in einem geheimen Verständniß zu sein, weßhalb ihn Friedrich als Gefangenen nach Glatz auf die Citadelle bringen ließ, wo er zwar anfangs ein Zimmer erhielt, das er jedoch, [222] weil er mit einigen andern Gefangenen zu entfliehen suchte und entdeckt wurde, bald mit einem engen Gefängnisse vertauschen mußte. Ungeachtet er schon durch seinen ersten Versuch zur Flucht Friedrichs Argwohn und Unwillen gegen sich vermehrt hatte, so wagte er doch bald einen zweiten, und entkam zwar durch das Fenster seines Kerkers, dessen eiserne Stäbe er zerfeilt hatte, mittelst eines Seiles, blieb aber in einem, unter dem Fenster befindlichen, Kloack stecken, wurde genöthiget, sich selbst zu entdecken, und wurde wieder in den Kerker gebracht. Da ihn hier der Platzmajor der Festung besuchte, und bei der Anfrage um die Dauer seines Arrests ihn bloß auf die Gnade des Königs verwies, riß er demselben den Degen von der Seite, eilte zur Thüre seines Gefängnisses hinaus, schlug sich durch die Wachen hindurch und sprang die beiden Wälle der Festung glücklich hinab, blieb aber bei einem neuen Sprunge über die Pallisaden der Außenwerke der Festung in diesen stecken, wurde ergriffen und nochmahls in sein Gefängniß zurückgebracht, in welchem er nun einen Unterofficier mit zwei Mann zur Wache erhielt. Seines geschärften Arrests ungeachtet, brachte er durch Geld, mit dem er immer unterstützt wurde, die Soldaten und Officiere der Besatzung auf seine Seite, und wollte sich mit ihnen mit Gewalt durchschlagen und nach Böhmen gehen, allein das Complott wurde entdeckt, und nur ein Officier und 19 Mann, die vergebens die Thüre seines Gefängnisses zu sprengen versuchten, entkamen. Durch Unterstützung eines Officiers war er jedoch bald im Stande, mit einem Lieutenant, Schell, am hellen Tage von der Festung zu entfliehen; sie schwammen – es war zu Ende des Decembers – durch die Neiße, entführten einem Bauer zwei Pferde, und entkamen auf diesen nach vielen Gefahren glücklich nach Böhmen, von da sie, im rauhen Winter, ohne Geld, und doch ohne zu betteln oder zu stehlen, eine Fußreise von 169 Meilen durch Mähren und Pohlen nach Preußen zu Trenks Mutter unternahmen. Von hier ging Trenk nach Wien zu seinem oben erwähnten Vetter, der im Arrest und in einen schweren Proceß verwickelt war, wurde aber von ihm sehr übel aufgenommen, daher er Wien bald verließ und nach Moskau ging. Schon [223] hatte er durch Chikanen seiner Feinde den größten Theil der von seinem indeß verstorbenen Vetter ihm zugefallenen Erbschaft verloren, als er, um mit seinen Geschwistern die Erbschaft seiner Mutter zu theilen, nach Danzig reisete. Hier ward er, ungeachtet er Rittmeister in Oestreichischen Diensten war, auf Friedrichs des Großen Ansuchen arretirt, nach Berlin und von da gleich anfangs in ein schreckliches Gefängniß nach Magdeburg gebracht, wo ihm aber ein neuer Versuch, sich in Freiheit zu setzen, bald ein härteres Gefängniß zuzog, indem er, an Händen, Füßen und um den Leib mit eisernen, 68 Pfund schweren, Fesseln angeschmiedet, ja diese in der Folge, nach Ausbruch des siebenjährigen Krieges, aus Aengstlichkeit des Kommandanten zu Magdeburg noch vermehrt wurden. Es würde zu weitlänftig sein zu erzählen, wie Trenk dessen ungeachtet seiner Fesseln sich nach Willkühr zu entledigen lernte, und den Fußboden seines Gefängnisses durchzubrechen suchte, wie man dieß entdeckte, die von ihm gemachten Oeffnungen von neuem verwahrte, ihn mit noch schwereren Fesseln belegte und ihn dieses alles doch nicht hinderte, den vorigen Versuch zu wiederhohlen, den, beinahe glücklich geendet, er aus unzeitiger Graßmuth selbst entdeckte: Alles dieses, so wie sein entdecktes Complott, mit Hülfe der in Magdeburg befindlichen Oestreichischen Gefangnen, sich der Festung selbst zu bemächtigen, erzählt er in seiner eignen Biographie sehr umständlich. Nur so viel müssen wir bemerken, daß er, erst nachdem er zehn Jahre lang im Gefängniß in Magdeburg geschmachtet hatte, im December 1763 seine Freiheit erlangte und nach Prag gebracht wurde. Auch hier, in Wien, Aachen (wo er sich verheirathete), Spaa, Mannheim, an welchen Orten er nach und nach lebte, zog er sich durch seine, theils freimüthigen, theils vorlauten, Aeußerungen, die er auch durch Schriften verbreitete, viele Verfolgungen zu, und verlor durch sie einen großen Theil seines Vermögens. Indeß, da er in der Folge nicht bloß in Oestreich seine Güter zurück erhielt, sondern auch Friedrich Wilhelm II. von Preußen nach seinem Regierungsantritt die ihm zugehörig gewesenen, unter Friedrich II. confiscirten, Güter in Preußen ihm wiedergab, da er Vater einer [224] starken Familie war und in das Greisenalter trat; so war es für ihn wohl nicht zu früh, sein übriges Leben in der Stille zu genießen. Allein sein unruhiger Geist trieb ihn, bei dem Ausbruche der Französischen Revolution nach Paris, wo er seine Lebensgeschichte selbst ins Französische übersetzte, und durch sie dort eben so viel Aufsehen erregte, als vorher in Deutschland. Ob und welchen Antheil er an den Revolutions-Auftritten daselbst genommen habe, ist unbekannt; und eben dieses scheint zu beweisen, daß er auch hier die Periode, in der er Aufsehen erregte, überlebt habe. Allein nichts desto weniger ließ ihn Robespierre als einen Verdächtigen und angeblichen Agenten der fremden Mächte verhaften und im Juni, nach andern am 25. Juli, 1794, guillotiniren, und man versichert, daß er mit vielem Muthe gestorben sei. Es ist sonderbar genug, daß der Todt dieses Mannes, der, bei der Erscheinung seiner Lebensgeschichte so allgemein bekannt wurde, so unbekannt blieb, daß man noch im Jahr 1805 dessen Bestätigung in offentlichen Blättern forderte. – So wenig sich übrigens in Trenks Charakter eine große Eigenliebe und Pralerei verkennen läßt, so lässet sich doch eben so wenig sein Muth und seine Standhaftigkeit verkennen; und sein, wenigstens zum Theil unverdientes, Schicksal ist um so mehr zu bedauern, da er, unter andern Umständen, gewiß unter der Classe der verdienten Preußischen Feldherren sich einen Platz erworben haben würde. Als Schriftsteller hat er sich besonders durch seine erwähnte Biographie bekannt gemacht; allein es ist wohl mehr als wahrscheinlich, daß solche nicht durchaus Glauben verdient, ungeachtet, durch mehrere über sie gefällte Kritiken, nur wenige unbedeutende Angaben in derselben widerlegt worden sind.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 6. Amsterdam 1809, S. 222-225.
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