Pastor

[425] Pastor, eigentlich Hirt, war im Alterthum ein Ehrentitel der Könige, die sich die Hirten der Völker nannten und wird jetzt als solcher, nach dem Beispiel Christi, der sich selbst mit einem Hirten verglich, allen ordinirten christlichen Geistlichen, welche Gemeinden unter sich haben, vorzüglich Landgeistlichen und den ersten Stadtgeistlichen beigelegt. Das Verhältniß, in welchem sie als geistliche Führer zu ihren Gemeinden stehen, wird dadurch bildlich bezeichnet und in diesem Sinne ist Pastor die dem Seelsorger entsprechendere, umfassendere Benennung eines Geistlichen, als Prediger, welcher Ausdruck nur einen Theil der Seelsorge, die Verkündigung des göttlichen Worts, in sich schließt; dagegen Pfarrer (von parochus) den Verweser eines geistlichen Amtsbezirks, Priester aber den höhern Mittler zwischen Gott und Menschen bezeichnet und als solcher nur Name katholischer Geistlichen sein kann. Die Wissenschaft vom Dienste des Geistlichen in der Kirche heißt die Pastoraltheologie oder Pastoralwissenschaft, die im weitern Sinne die gesammte praktische oder angewandte Theologie bezeichnet. Wenn sie als solche gründliche Kenntnisse in allen Zweigen der theoretischen Theologie, der Exegese und Hermeneutik (s.d.), der Glaubens- und Sittenlehre, der Kirchen- und Dogmengeschichte voraussetzt, so lehrt sie die Anwendung dieser Kenntnisse im Amte und begreift als Hauptbestandtheile die Homiletik (s. Predigt), die Katechetiik Liturgie (s.d.), einen Theil des Kirchenrechts, sowie endlich die Kenntniß der Art und Weise in sich, wie das Seelenwohl jedes einzelnen Gliedes in der Gemeinde gefördert werden kann. Letzteres, das eigentliche Gebiet der Seelsorge, ist im engern Sinne die Pastoraltheologie oder Pastoralwissenschaft, wofür man gewöhnlich die Namen Pastoralklugheit und Pastoralweisheit gebraucht. Sie ist eine Wissenschaft der Erfahrung, welche Grundsätze und Regeln für die würdige und segensreiche Verwaltung des geistlichen Amtes gibt, wozu nicht nur erfodert wird, daß der Geistliche ein guter Prediger, Liturg und Katechet sei, sondern auch, daß er in Allem der Gemeinde mit dem Beispiel der Frömmigkeit und Tugend vorangehe, daß er über die gute Zucht und Ordnung derselben wache und an den einzelnen Gliedern in den wichtigsten und verschiedensten Verhältnissen des Lebens die Pflichten seines Berufs übe, d.h. den Armen ein Versorger, den Bekümmerten, Kranken und Leidtragenden ein Tröster und geistlicher Freund sei; auch den verworfenen Lasterhaften soll er durch die Religion erweichen und bessern und im Gefängniß und auf dem Richtplatze Verbrechern als Diener Gottes zur Seite stehen. Eine Anweisung, wie der Geistliche sein Amt recht verwalten müsse, ertheilte bereits der Apostel Paulus (s.d.) in seinen zwei Briefen an Timotheus und in dem Briefe an Titus, welche beiderseits Aufseher und Lehrer von Gemeinden waren, und die deshalb Pastoralbriefe genannt werden.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 425.
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