Reichenbach

[660] Reichenbach, eine Kreisstadt mit ungefähr 5000 Einw. im Regierungsbezirk Breslau der preuß. Provinz Schlesien, liegt auf einer Höhe am Fuße des Eulengebirges und an der Peile, hat ein Schloß und ist der Sitz einer bedeutenden Baumwollenfabrikation. Geschichtlich merkwürdig ist R. durch ein Gefecht, welches während des siebenjährigen Krieges am 16. Aug. 1762 in der Nähe vom Herzog von Bevern mit 8000 Preußen, die jedoch gegen Abend von der nahen kön. Armee Unterstützung erhielten, gegen den östr. Feldmarschall Daun bestanden wurde, welcher behufs des Entsatzes der von den Preußen belagerten Festung vorzudringen suchte, aber seine Absicht aufgeben mußte. Im J. 1790 fand ferner zu R. ein Congreß statt zwischen Östreich, Polen, England, Holland und Preußen, welches sich anheischig gemacht hatte, den Frieden mit Rußland und Östreich für die Pforte, welche mit jenen Mächten seit 1787 Krieg führte, zu vermitteln oder nöthigenfalls zu erzwingen. Das Fortschreiten der franz. Revolution und der Einfluß der Seemächte bewog Preußen zum Aufgeben der an Östreich gemachten Foderung, Galizien an Polen zurückzugeben, von dem Preußen dagegen Danzig und Thorn zu erhalten hoffte, und es kam am 27. Jul. 1790 eine Convention zu Stande, nach der sich Östreich zum Frieden mit dem osman. Reiche auf die Lage der Dinge vor dem Kriege verpflichtete und auch im Aug. 1791 zu Szistowa den Frieden abschloß. Das gefährdete Bestehen des türk. Reiches ward dadurch wesentlich gesichert, obgleich Rußland den Verhandlungen zu R. fremd blieb und erst 1792 zu Jassy mit der Pforte Frieden machte. Auch 1813 fanden hier während des am 4. Jun. zu Pläswitz zu Stande gekommenen Waffenstillstandes zwischen den franz. und den verbündeten Heeren wichtige Verhandlungen zwischen England, Preußen und Rußland statt, die zum Abschluß zweier Verträge führten. In dem ersten vom 14. Jun. verpflichtete sich England, an Preußen zum Unterhalt eines 88,000 M. starken Heers während der zweiten Hälfte des Jahres 1813 an Subsidien oder Hülfsgeldern 666,666 Pf. St. zu bezahlen. Außerdem versprach es im Geheimen seine Mitwirkung [660] zur Vergrößerung Preußens bis mindestens zu dem Gebietsumfange vor 1806 und ließ sich dagegen von Preußen die Abtretung eines Gebiets mit 300,000 Einw. und namentlich des Bisthums Hildesheim zusichern. Im zweiten Vertrage vom 15. Jun. mit Rußland ward diesem von Großbritannien für dieselbe Zeit und gegen Aufstellung von 160,000 M., ungerechnet die Besatzungen fester Plätze, eine Subsidie von 1,333,334 Pf. St. versprochen; außerdem übernahm England die Unterhaltungskosten der in den engl. Häfen damals befindlichen russ. Flotte, welcher Aufwand auf eine halbe Mill. Pf. St. angeschlagen wurde, über die es jedoch auch zur Bekämpfung des gemeinsamen Feindes frei verfügen konnte. – Ein zweites Städtchen Reichenbach mit 1000 Einw. liegt ebenfalls in Schlesien im görlitzer Kreise an der Hauptstraße von Görlitz nach Bautzen, auf der sich 1813 nach der Schlacht bei Bautzen (s.d.) die Verbündeten zurückzogen, bei welcher Gelegenheit am 22. Mai vor und hinter R. ein blutiges Gefecht zwischen der franz. Vorhut, die Napoleon selbst befehligte, und den Russen unter Miloradowitsch vorfiel, wobei, als eben die Sonne unterging, in Napoleon's Nähe von einer Kanonenkugel der Ingenieurgeneral Kirgener getödtet und der Marschall Duroc so schwer verwundet wurde, daß er nach einigen Stunden starb. – Ein anderes Reichenbach mit 4500 Einw. im Königreiche Sachsen wurde 1832 von einer Feuersbrunst großentheils zerstört, allein bald wieder aufgebaut und liefert viel Baumwollen-, Wollen- und Leinenwaaren. – Der Marktflecken Reichenbach mit 500 Einw. im Königreiche Würtemberg liegt im Schwarzwalde und an der Murg.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 660-661.
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