Rudolf II.

[764] Rudolf II., deutscher Kaiser, 1576–1612, war ein Sohn des Kaisers Maximilian II. und einer Tochter Karl V., geb. 1552, von Jesuiten unter den Augen Philipp II. in Spanien erzogen und daher eifrig für die katholische Kirche eingenommen, übrigens ein Freund der Wissenschaften, gelehrt und geschmackvoller Verehrer der schönen Künste. Schon 1572 war er zum König von Ungarn, 1575 zum böhm. und zum deutschen Könige gekrönt worden, und folgte im nächsten Jahre seinem Vater in der Kaiserwürde. Er wählte [764] Prag zu seiner Residenz, überließ aber die Regierungsgeschäfte seinen Ministern und Günstlingen und lebte nur seinen wissenschaftlichen und andern Lieblingsbeschäftigungen. Die zur Unterdrückung der zunehmenden Ausbreitung der protestantischen Lehre in den östr. Gebieten ergriffenen Maßregeln erregten dort einzelne, jedoch bald bekämpfte Aufstände, allein auch allgemeine Unzufriedenheit und im Reiche entstanden ebenfalls offene religiöse Zerwürfnisse an mehren Orten durch R.'s II. Parteilichkeit für die Katholiken, gegen deren wachsende Anmaßung endlich 1608 sich mehre evangelische Fürsten zu einer evangelischen Union vereinigten, der alsbald ein katholischer Bund unter dem Namen der Ligue gegenübertrat. Früher schon war R. in Ungarn (1592) in einen Krieg mit den Türken verwickelt worden, der mit wechselndem Glücke bis 1606 dauerte; allein diese und andere wichtige Vorgänge erregten wenig die Theilnahme des Kaisers, welcher in seinen Gemächern mit Goldmachern und Astrologen verkehrte, zu denen auch der sonst berühmte Tycho de Brahe gehörte, welcher mit seinem Schüler Kepler an R. s Hofe lebte. Inzwischen bedrohte dessen schlaffe Regierung das Haus Östreich mit unersetzlichen Nachtheilen und zu Abwendung derselben vereinigten sich endlich alle Mitglieder desselben wider ihr dermaliges Haupt. Der Erzherzog Matthias stand an der Spitze des Vereins und da in den östr. Ländern die Katholiken der traurigen Regierung R.'s II. fast ebenso müde waren, wie die Protestanten, so gelang es ihm, den Kaiser zur Abtretung der Regierung von Ungarn, Mähren und Östreich zu nöthigen. Er mußte jedoch Ungarn und Östreich völlige Religionsfreiheit und mehre andere Privilegien zusichern, wodurch auch R. gezwungen war, den Protestanten und Hussiten in Böhmen durch den Majestätsbrief vom 11. Jul. 1609 gleiche Freiheiten zuzugestehen. Allein bald nöthigte ihn Matthias mit Gewalt, ihm 1611 auch Böhmen abzutreten und mit einem standesmäßigen Einkommen zufrieden zu sein. R. II. überlebte jedoch diese Demüthigung nur neun Monate und starb am 20. Jan. 1612, nachdem seine Regierung wesentlich zur Entwickelung der den dreißigjährigen Krieg bedingenden Ursachen beigetragen hatte. In der Sternkunde, wo er ganz vorzügliche Kenntnisse besaß, wird sein Andenken noch durch die nach ihm benannten und auf seine Veranlassung sowie unter seiner Mitwirkung von Tycho de Brahe begonnenen Rudolfinischen Tafeln bewahrt, die zur Berechnung des Laufes der Gestirne später von Kepler zwar nach Brahe's Beobachtungen, allein nach seinen eignen Ansichten ausgearbeitet und 1627 in lat. und deutscher Sprache in Ulm herausgegeben worden sind.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 764-765.
Lizenz:
Faksimiles:
764 | 765
Kategorien: