Swift

[341] Swift (Jonathan), einer der ausgezeichnetsten humoristischen Schriftsteller Englands, wurde 1667 zu Cashel in der irländ. Grafschaft Tipperary geboren und studirte auf dem Dreifaltigkeitscollegium zu Dublin. Ein Oheim nahm sich seiner hülfreich an. Nach dessen Tode begab er sich zu dem ausgezeichneten Staatsmann Sir William Temple, der ebenfalls mit ihm verwandt war und durch den er eine ansehnliche Pfründe zu erhalten hoffte. In dieser Hoffnung nahm er eine ihm vom Könige angebotene Hauptmannsstelle nicht an. Schon in Dublin hatte er sich als Schriftsteller versucht. Nachdem er die Hoffnung auf Temple aufgegeben, kehrte er 1694 nach Irland zurück und erhielt hier durch den Oberstatthalter eine Pfründe. Neue Versprechungen Temple's vermochten ihn wieder, nach England zu gehen und jene Pfründe aufzugeben. Nach Temple's Tode begleitete er den Grafen von Berkeley, der zum Oberrichter in Irland ernannt war, nach diesem seinem Vaterlande, als Kaplan und Privatsecretair desselben. Graf von Berkeley hielt die ihm gemachten Versprechungen nicht völlig, indem sich S. mit zwei minder einträglichen Pfründen begnügen mußte, als er gehofft hatte. S. lebte in der Folge auf seiner Pfarre zu Caracor und vermählte sich hier heimlich mit Stella Johnson, deren Vater Temple's Haushofmeister gewesen war, ohne mit ihr öffentlich als Gattin zu leben. Im Auftrage irländ. Prälaten trat er 1710 in Unterhandlung mit der engl. Regierung, und wurde mit einflußreichen Männern genau bekannt, sodaß er nicht ohne Einfluß auf die Politik blieb, der er sich leidenschaftlich hingab. Er hoffte, durch seine Gönner ein Bisthum in England zu erlangen, mußte jedoch, da die Königin an seiner Rechtgläubigkeit zweifelte, 1713 mit der Dechanei von St.-Patrik bei Dublin sich begnügen. Sein Ende war sehr traurig; er selbst hatte sich dieses Schicksal prophezeit. Sein Verstand litt zugleich mit seinem Körper und zuletzt verfiel er in völligen Wahnsinn, in welchem er 1745 starb. Er hatte den größten Theil seines Vermögens zu einem Hospital für Geisteskranke bestimmt.

Unter S.'s Werken, welche in einer Gesammtausgabe zuletzt von Walter Scott London 1814 (19 Bde.; deutsch größtentheils. Hamburg 1756, 8 Bde.) erschienen sind, zeichnen sich besonders aus: »Das Märchen von der Tonne«, in welchem sinnbildlich und satirisch eine Geschichte der christl. Glaubensparteien gegeben ist; »Die Bücherschlacht«, eine burleske Vergleichung alter und neuer Schriftsteller; »Gulliver's Reisen«, eine Satire auf die menschliche Natur; »Unterweisung für Dienstboten« u.a. Obgleich seine Verse mit außerordentlicher Leichtigkeit geschrieben sind, so ist seine Prosa doch vorzüglicher. Witz, Scherz und bittrer Spott zeichnen seine Schriften ebenso sehr aus, wie Gewandtheit und Leichtigkeit der Sprache. Durch eine gewisse Gutmüthigkeit wird die Schärfe seiner Satire gemildert. Als Mensch war S. stolz und anmaßend, daher wenig liebenswürdig, doch zeichnete ihn auch eine achtungswerthe Liebe zur Freiheit und eine hohe Festigkeit des Geistes aus.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 341.
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