Gang [2]

[255] Gang, eine natürliche, mit Mineralstoffen ausgefüllte Gesteinsspalte, also der Gestalt nach plattenförmig und von zwei einander annähernd parallelen Flächen begrenzt. Die den Gang gegen das Nebengestein abgrenzenden Flächen heißen die Salbänder. Wenn die zunächst den Salbändern liegenden Teile der Gangausfüllung von weicher, lettiger Beschaffenheit sind, werden sie Bestege oder Lettenbestege genannt.

Die Gänge setzen oft in große Tiefen oder Teufen hinab. Gänge, die nur wenig unter die Erdoberfläche hinabreichen, werden als Rasenläufer bezeichnet. Apophysen oder Seitentrümer sind seitliche Ausläufer von Gängen. Wenn ein Gang sich in mehrere Teile zerspaltet, so tagt man, er »zerschlägt sich in Trümer« oder er zertrümmert sich und jeder einzelne abgespaltene Teil heißt ein Trum. Ein Gang kann sich gabeln, mehrere Gänge können sich zu einem Gang zusammenscharen. Der einzelne Gang »setzt auf«, »tut sich auf«, wenn er sich erweitert, »verdrückt sich«, wenn er sich verschmälert, oder »keilt sich aus«, wenn er allmählich verschwindet. Die Richtung der Gänge ist meist gerade; oft aber auch biegen sie um, werden durch Verwerfungen abgeschnitten und nach dem Hangenden (oben) oder Liegenden (unten) verschoben oder verworfen. Die allgemeine Richtung des Ganges im Grundriß nennt man sein »Streichen«; dazu senkrecht steht das »Fallen«, die Richtung der größten Neigung der Salbänder des Ganges. Man spricht von »schwebenden« oder nahezu wagerecht liegenden, von flachfallenden mit 20–45° geneigten, von »tonnlägigen« mit 45–70° geneigten und von »Heilen« und »saigern« oder senkrecht stehenden Gängen. Als »Gangzug« wird ein Bündel benachbarter nahezu gleichlaufender, als »Gangnetz« eine Gruppe sich durchschneidender Gänge bezeichnet. Zwei sich unter nahezu rechtem Winkel schneidende Gänge bilden ein »Gangkreuz«. Von ihnen ist derjenige, dessen Gangausfüllung unterbrochen ist, der ältere, zuerst entstandene, der andre der jüngere, später gebildete.

Nach ihrem Inhalt werden die Gänge eingeteilt in Gesteinsgänge, Mineralgänge und Erzgänge. Gesteinsgänge sind von einem Gestein erfüllt, das meist in feurig-flüssigem Zustand als sogenanntes Magma in die ursprünglich offene Gangspalte eingepreßt wurde; es sind also eruptive Gänge, z.B. von Granit, Porphyr, Diabas, Kersantit, Porphyrit, Melaphyr, Trachyt, Andesit, Basalt u.s.w. Solche eruptive Gänge stellen häufig die Aufbruchskanäle für ergußartige oder Lavamassen (Decken, Ströme, Kuppen) dar. Sie zeigen wenige Veränderungen innerhalb der Gesteinsmasse, meist nur eine Verdichtung des Kornes gegen das Salband. Als »gemischte« Gänge werden eruptive Gänge bezeichnet, die mehrere verschiedene entweder scharf getrennte oder ineinander übergehende Gesteine einschließen.

Mineralgänge sind erfüllt von einem einzigen Mineral oder einem unregelmäßigen Gemenge mehrerer Mineralien, z.B. Gänge von Quarz, Schwerspat, Kalkspat, Eisenkies.

Erzgänge enthalten Erze, d.h. solche Mineralien, aus welchen sich technisch verwendbare Metalle mit Nutzen darstellen lassen. Vgl. Erze und Erzlagerstätten.

Die Erzgänge können sein entweder erzführende Gesteinsgänge, z.B. von zinnerzhaltigem Granit, oder erzführende Mineralgänge, z.B. von Quarz mit gediegenem Gold (Goldquarz), oder endlich reine Erzgänge, deren Inhalt ausschließlich oder wenigstens vorwiegend aus Erzen besteht, z.B. aus Spateisenstein oder aus Bleiglanz und Zinkblende. Was in einem Erzgang nicht Erz ist, heißt im Gegensatz zum Erz die Gangart (s.d.). Ein Mineralgang »veredelt sich«, wenn er Erz aufnimmt und Erzgang wird; dieser wird »taub«, wenn er sein Erz verliert und nur mehr Mineralgang bleibt. Die Erzführung wechselt oft im Streichen des Ganges, wie auch[255] nach der Tiefe sowohl hinsichtlich der Menge wie hinsichtlich der Beschaffenheit der Erze. In den größeren Tiefen herrschen bei vielen Erzgängen die Schwefelverbindungen der Metalle (Bleiglanz, Kupferkies u.s.w.) vor, nach der Oberfläche findet man mehr oxydische Erze, auch Karbonate und bei Eisenerzgängen an der Oberfläche das zu Brauneisen umgewandelte Eisenerz im sogenannten »eisernen Hut«. – Auf Erz- und Mineralgängen trifft man häufig innerhalb der Gangart noch Bruchstücke des den Gang einschließenden Nebengesteins, die bei der gewaltsamen Entstehung der Gangspalte losgerissen wurden.

Der innere Aufbau oder die Struktur (Textur) der Ausfüllungsmasse eines Ganges ist meist eine richtungslose oder massige. Häufig aber, insbesondere bei Erzgängen, Ist sie eine symmetrischlagenförmige, die darin besteht, daß sich die einzelnen Mineralien in parallelen Krusten oder Lagen an beiden Gangwänden in derselben Reihenfolge übereinander angesetzt vorfinden. Die Zahl der symmetrisch angesetzten Lagen ist bisweilen groß. So fand man z.B. in einem Gange bei Freiberg folgende Reihenfolge von Mineralien übereinander: Zinkblende, Quarz, Flußspat, Zinkblende, Schwerspat, Schwefelkies, Schwerspat, Schwefelkies, Flußspat, Schwefelkies, endlich Kalkspat mit Drusen, der die Mitte des Ganges einnahm. Sind Gesteinsbruchstücke in der Gangmasse eingeschlossen, so werden auch diese von den einzelnen Mineralien konzentrischlagenförmig eingehüllt. Dann zeigen sich die Erze und Gangarten, im Bruche gesehen, als kokardenähnliche Ringe um die Gesteinsbruchstücke und werden als Ringelerze oder Kokardenerze bezeichnet und die so entstehende Gangstruktur als Kokardenstruktur.

Zur Entstehung von Gängen ist erforderlich zuerst die Bildung von Gesteinsspalten und hierauf die Ausfüllung derselben. Spalten können sich in Gesteinsmassen teils durch innere, teils durch äußere Ursachen bilden. Zu ersteren ist hauptsächlich zu rechnen die innere Zusammenziehung oder Kontraktion infolge von Abkühlung und Erstarrung heißflüssiger Gesteinsmagmen oder infolge von Austrocknung durchwässerter Sedimente. So gebildete Spalten lassen sich als Kontraktionsspalten bezeichnen. Aeußere Ursachen von Spaltenbildung sind hauptsächlich gewaltsame Bewegungen (Dislokationen), wie Hebungen, Senkungen, Faltungen, Aufblätterungen, Einstürze, Erdbeben, die mit der Gebirgsbildung zusammenhängen und in dem langsamen Zusammenschub der äußeren Erdrinde infolge der allmählichen Abkühlung und Schrumpfung des Erdkerns ihre beste Erklärung finden. So entstandene Spalten hat man Dislokationsspalten genannt. Diese können sowohl horizontal als vertikal eine viel größere Ausdehnung erlangen als die Kontraktionsspalten.

Ueber die Entstehung der Gänge bestehen verschiedene Anschauungen. 1. Die Kongenerationstheorie läßt die Gangfüllung gleichzeitig mit ihrem Nebengestein entliehen. Dies ist in Kontraktionsspalten möglich, da diese sich schon während der Verfertigung des Nebengesteins mit Ausscheidungen anfüllen können, möge das Nebengestein ein erstarrendes Magma sein oder ein mit wässerigen Minerallösungen durchtränktes, in der Austrocknung begriffenes Sediment. Solche Sekret- oder Ausscheidungsgänge besitzen in der Regel keine scharfen Salbänder und geringe Ausdehnung. Beispiel: viele Granitgänge in Granit. (Vgl. Reyer, Theoretische Geologie, S. 101, Stuttgart 1888.) 2. Die Deszensionstheorie besagt, daß wässerige Minerallösungen von oben in die Spalten gelangten und durch Verdunstung oder durch chemische Einwirkungen ihren Mineralgehalt darin absetzten. Diese Ansicht ist nur für wenige Vorkommnisse als richtig anerkannt worden, in neuerer Zeit z.B. für Erzgänge bei Freudenstadt (vgl. Sandberger, Sitzungsber. d. Math.-phys. Kl. d. bayr. Akad. d. Wiss., 1891, Bd. 21). 3. Die Lateralsekretionstheorie: Die Gangausfüllung ist Folge von Auslaugung des unmittelbaren Nebengesteins durch Sickerwasser und von Ansammlung der so entstandenen Minerallösungen in den Spalten. Kalkspatgänge in Mergeln, Kalksteinen, kalkreichen Eruptivgesteinen, Quarzgänge in Sandsteinen und in sich zersetzenden Silikatgesteinen sowie auch viele Erzgänge in metallhaltigen Gesteinen verschiedener Art müssen als so entstanden betrachtet werden. 4. Die Aszensionstheorien nehmen die Herkunft der Gangfüllung von unten an und zwar auf verschiedene Weise, nämlich: a) Die Injektionstheorie durch Injektion eruptiver Gesteinsmagmen in die Spalten; hierher gehören viele Gesteinsgänge, worunter auch erzführende. Dagegen sind Mineralgänge und reine Erzgänge nicht auf diese Weise entstanden. b) Die Sublimationstheorie: durch Verdichtung mineralischer Dämpfe, die aus den Tiefen der Erde aufgestiegen sind. Nur sehr selten finden sich Gänge ausschließlich mit solchen Stoffen erfüllt, die sublimierbar sind, oder überhaupt durch Verflüchtigungsvorgänge entstanden gedacht werden können. Die Ausfüllungsmassen der meisten Mineralgänge und die gewöhnlichsten Gangarten der Erzgänge, insbesondere Kalkspat, Bitterspat, Schwerspat, Flußspat, können nicht so entstehen. Doch ist es möglich, daß einzelne Bestandteile mancher Gänge sich durch Verdichtung von Dämpfen gebildet haben, c) Die Infiltrationstheorie: durch aufsteigende Mineralwässer, die ihren Mineralgehalt in der Tiefe unter dem Einfluß von Druck und Wärme aus Gesteinen ausgezogen haben. Die Bildung vieler Mineral- und Erzgänge, deren Nebengestein die Gangstoffe nicht enthält, kann nur auf diese Art erklärt werden. Vgl. Erze und Erzlagerstätten.

Aus allem Gesagten geht hervor, daß die Ausfüllung verschiedener Gänge von sehr verschiedener Entstehung sein kann und daß sogar mehrere Bildungsarten in einem und demselben Gang zur Wirkung gelangt sein können. Jedoch sind die meisten Gesteinsgänge durch Injektion von Magmen, die meisten Mineral- und Erzgänge durch Absätze aus wässerigen Lösungen ausgefüllt worden, durch welche letztere Annahme allein die in diesen Gängen so oft auftretende symmetrisch-lagenförmige Struktur in befriedigender Weise zu erklären ist.


Literatur: Cotta, B. v., Die Lehre von den Erzlagerstätten, 2. Aufl., Freiberg 1859; Grimm, Johann, Die Lagerstätten nutzbarer Mineralien, Prag 1869; Groddeck, A. v., Die Lehre von den Lagerstätten der Erze, Leipzig 1879; Sandberger, s. v., Untersuchungen über Erzgänge, Wiesbaden 1882 u. 1885; Beck, R., Lehre von den Erzlagerstätten, 2. Aufl., Berlin 1903; Stelzner-Bergeat, Die Erzlagerstätten, Leipzig 1904.

Leppla

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 4 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 255-257.
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