Mineral

[435] Mineral, ein fester oder flüssiger, einheitlicher, d.h. nach seinen chemischen und physikalischen Eigenschaften in jedem Teilchen gleichmäßiger Naturkörper von einer bestimmten, in einer Formel ausdrückbaren chemischen Zusammensetzung. Künstliche Produkte und Gesteine sind keine Minerale; Naturkörper von schwankender chemischer Zusammensetzung werden als Mineralgemenge, Aggregate oder auch als Fossilien betrachtet.

Den höchsten Ausdruck der Selbständigkeit (Individualität) eines Minerales erblickt man im natürlichen Kristall. Neben den kristallisierten Mineralen kennt man auch amorphe, z.B. flüssige und glasartige. Als physikalische Eigenschaften, die zur Unterscheidung der Minerale dienen, sind zu nennen:

1. Spaltbarkeit und Kohärenz. In verschiedenen Richtungen besitzen die kristallisierten Minerale verschiedenen Widerstand (Kohärenz) gegen mechanische Trennung oder Teilung. Der größte Widerstand fällt mit der geringsten Spaltbarkeit zusammen. Die Bestimmung der Lage der Spaltungsflächen und Spaltung selbst erfolgt nach den Kristallflächen. Hierbei ist es keineswegs notwendig, daß die Spaltflächen tatsächlich als Kristallflächen an jedem Kristall vorhanden sind, sie können auch fehlen; der Kalkspat spaltet stets nach den Flächen des Rhomboeders, gleichviel, ob diese am Kristall vorhanden sind oder nicht. Die Zahl der Spaltungsrichtungen bei einem Mineral ist klein und bleibt unter der Zahl der Kristallflächen zurück; drei Spaltungsrichtungen sind schon eine seltene Erscheinung. Die Spaltbarkeit ist höchst vollkommen (Kohärenz höchst gering) beim Kaolin, Glimmer, Gips, Antimonglanz, sehr vollkommen beim Flußspat, Kalkspat, Baryt, Hornblende, vollkommen bei Augit, Kryolith, unvollkommen bei Granat, Quarz oder sehr unvollkommen bei den meisten Mineralen. Gleitflächen unterscheiden sich von Spaltungsflächen dadurch, daß ihnen parallel eine Verschiebung ermöglicht ist; sie fallen mit den Spaltflächen nicht zusammen. Bruchflächen der Minerale entstehen durch gewaltsame[435] Zertrümmerung vorzugsweise bei unvollkommen oder gar nicht spaltenden Mineralen, besonders bei den amorphen. Das Aussehen (glatt, splitterig, erdig) und die Form der Bruchfläche (muschelig, eben) sind für die Erkennung und Unterscheidung der Minerale wichtig.

2. Härte (vgl. Bd. 4, S. 737).

3. Elastizität. Sie ist in den amorphen Mineralen nach allen Richtungen gleich, bei kristallisierten jedoch nur in den kristallographisch gleichen Richtungen (vgl. Kristallisation). Die Beziehungen zur Kohärenz sind noch unbekannt.

4. Dichte oder spezifisches Gewicht ist für die Unterscheidung der Mineralien von großer Wichtigkeit (vgl. Bd. 2, S. 742 ff.).

5. Brechung und Polarisation des Lichtes (s. Licht und Polarisation).

6. Glanz, der Grad der Reflektion des zerstreuten Lichtes an der Oberfläche in Verbindung mit einem Teil des aus dem Innern des Minerals gebrochenen und reflektierten Lichtes. Man bezeichnet den Glanz nach dem Glanz bekannter Gegenstände: Metallglanz bei vollkommen undurchsichtigen Mineralen, relativ vollkommene Reflexion; Diamantglanz bei vollkommen durchsichtigen, starke Lichtbrechung und Farbenzerstreuung zeigenden Mineralen (Diamant, Weißbleierz u.s.w.); Glasglanz bei meist durchsichtigen, nichtmetallischen Mineralen; Fettglanz wie bei mit Oel überzogenen Körpern (Schwefel); Perlmutterglanz bei sehr dünn spaltbaren, blätterigen, durchsichtigen bis durchscheinenden Mineralen vielfach von Totalreflexion an seinen Blätterdurchgängen herrührend (Glimmer, Gips); Seidenglanz Schimmern von feinfaserigen Mineralen infolge von Reflexion und Brechung an den einzelnen Fasern (Asbest).

7. Farbe. Sie ist den Mineralen zum Teil eigen (Metallen, Metalloxyden und Metallsalzen), zum Teil durch fremde Beimengungen verursacht. Als färbende Mittel treten zumeist die eigenfarbigen Metalle und deren Verbindungen auf.

8. Strichfarbe, sichtbar an dem Pulver des Minerals, z.B. wenn es auf einem nichtglasierten Porzellan gerieben wird. Die Strichfarbe ist vielfach von der Eigenfarbe verschieden, z.B. beim Schwefelkies, Eisenglanz u.s.w.

9. Phosphoreszenz (s. Lumineszenz), erzeugt durch Lichtbestrahlung (Insolation), Erwärmung, Elektrizität oder mechanische Einwirkung.

10. Thermische Eigenschaften, ihr Verhalten teils gegen Wärmestrahlung, teils gegen Wärmeleitung und bei Ausdehnung durch Wärme. Letztere steht in engster Beziehung zu den Elastizitäts- und Lichtbrechungsverhältnissen.

11. Elektrizität. Das Leitungsvermögen richtet sich ebenfalls nach den Elastizitätserscheinungen. Gleiche kristallographische Richtungen und gleiche Stellen verhalten sich gegen Pyroelektrizität gleich in bezug auf Vorzeichen und Intensität der Erregung.

12. Magnetismus, nur bei wenigen eisenhaltigen Mineralen zu beobachten.

Die chemischen Eigenschaften der Minerale hinsichtlich ihrer Zusammensetzung, Konstitution und Verhalten gegen Reagenzien sind für ihre Klassifikation von besonderer Wichtigkeit, vor allem seit die Abhängigkeit der kristallographischen und Elastizitätsverhältnisse von der chemischen Konstitution erkannt wurde. Die qualitative Prüfung der chemischen Zusammensetzung erfolgt, von den rein chemischen Methoden abgesehen, vielfach noch durch Feststellung des Verhaltens vor dem Lötrohr (im leuchtenden, kohleführenden Teil der Flamme Sauerstoff entziehend oder reduzierend, im nichtleuchtenden blauen Teil der Flamme Sauerstoff zuführend oder oxydierend), im Glaskolben (zur Beobachtung flüchtiger Stoffe und des Wassergehaltes), auf Kohle (durch Erhitzung in der Lötrohrflamme zur Feststellung flüchtiger Substanzen nach dem Geruch, zur Erkennung der Schmelzbarkeit). – Die Vorgänge, welche zur Bildung der Minerale führen, sind durchweg chemischer Natur. Man faßt sie in folgende Abteilungen zusammen:

1. Sublimation. Die Minerale bilden sich durch Auskristallisation aus Gasen, vornehmlich bei Exhalationen der Vulkane (Fumarolen, Solfataren u.s.w.) oder unterirdisch brennender Kohlenflöze, ferner bei der Zersetzung des Schwefelkieses. Die Bildung erfolgt meist durch das Einwirken zweier Gase aufeinander (z.B. durch Einwirkung von Eisenchloridgasen auf Wasserdampf bildet sich. Eisenglanz). Auch Silikate können durch Einwirkungen von Metalldämpfen auf gasartige Kieselsäure entstehen. Nur ein geringer Teil der Minerale kommt durch Sublimation zustande.

2. Aus Schmelzfluß entstehen wohl durch Auskristallisation die größten Mineralmassen. Aus feurigflüssigen Magmen vergangener und heutiger Eruptionen kristallisiert beim Erstarren eine größere Anzahl von Silikaten (Augit, Hornblende, Feldspate, Glimmer, Nephelin, Olivin u.s.w.), dann Erze (Magnet- und Titaneisen), Phosphate (Apatit), Oxyde (Quarz), Titanate (Titanit) u.a. aus, und zwar die schwerschmelzbaren zuerst. Stärkere Verzögerung der Erstarrung und langsames Erkalten vergrößert die Zahl der sich ausscheidenden Mineralverbindungen und auch den Umfang der Kristalle. Rasches Erkalten liefert amorphes Glas und weniger Kristalle.

3. Aus wässeriger Lösung kommt die größte Zahl von Mineralen durch Verdunstung des Wassers zustande. So werden Steinsalz, Kalisalze, Gips, Vitriole durch Abscheidung aus verdunstendem Meerwasser gebildet. Kohlensaurer Kalk (Kalkspat und Aragonit) kristallisieren aus kohlensäurehaltigem Wasser, wenn die Kohlensäure entweichen kann. Kieselsinter entsteht aus warmem Wasser der Geifer, sobald dieses so weit erkaltet, daß es die Kieselsäure nicht mehr in gelöstem Zustand erhalten kann. Eine große Menge Minerale kommt durch Einwirkungen verschiedener wässeriger Lösungen aufeinander zustande, z.B. der Vivianit durch Einwirkung einer Lösung kohlensauern Eisenoxyduls auf eine Lösung von phosphorsauerm Kalk. Schwefelkies entsteht durch Reduktion einer Eisenvitriollösung durch organische Substanz. Vornehmlich Gangminerale bilden sich auf wässerigem Wege (Erze, Zeolithe).

4. Auf organischem Wege, und zwar als Umwandlungsprodukte von Pflanzen und[436] deren Ausscheidungen (Harze), sowie von tierischen Retten, werden eine Reihe von natürlichen Formen des Kohlenstoffs und dessen Verbindungen gebildet (Kohlen, Kohlenwasserstoffe, Bernstein).

5. Durch Einwirkung von feurigflüssigen Magmen auf andre Gesteine, vornehmlich durch Hitzewirkung in Verbindung mit einer durch hohen Druck gesteigerten Lösungskraft des Wassers und vorhandener Gase werden die sogenannten Kontaktminerale erzeugt (z.B. durch Einwirkung kieselsaurer Magmen auf Kalkstein entsteht Kalkgranat, Augit, Wollastonit u.s.w.).

6. Durch Umwandlung andrer Minerale. Unter dem Einfluß der Atmosphärilien gehen durch Zersetzung vorhandener Minerale und Gesteine, also aus wässeriger Lösung, neue hervor, zumeist aber auch auf kompliziertem Weg durch Wechselwirkung verschiedener Lösungen. Hierher gehören die durch sogenannte Verwitterung entstehenden sekundären Minerale in Gesteinen (Kalkspat, Kaolin, chloritische und serpentinartige Aggregate, Quarz, Eisenoxydul, Eisenoxyde sowie deren Hydrate u.s.w.).

7. Auf künstlichem Weg hat man eine große Zahl von Mineralen dargestellt und damit für diese den Beweis der Möglichkeit geliefert, daß die Mineralbildung ähnliche Wege eingeschlagen haben kann.

Das Vorkommen der Minerale in durch die Art ihrer Bildung bedingt. Außer den als Gesteinbildner auftretenden kennt man in erster Linie solche als Ausfüllungen von Spalten und Klüften in Gesteinen (Mineral- und Erzgänge), dann von unregelmäßigen drusen- und mandelförmigen Hohlräumen in Gesteinen. Die in Gängen angeordneten Minerale unterliegen in ihrer gegenseitigen Verknüpfung gewissen Regeln der Paragenesis und Sukzession, z.B. Wismutglanz ist zumeist mit Kupferkies verknüpft und jünger als dieser. Ueber Verwitterung der Minerale vgl. Umwandlung. – Die Einteilung erfolgt in erster Linie nach der chemischen Konstitution als demjenigen Faktor, von welchem die andern Eigenschaften abhängen. Man unterscheidet: 1. Elemente, 2. Haloidverbindungen, 3. Schwefelverbindungen, 4. Oxyde und Hydroxyde, 5. Borate, 6. Karbonate und Nitrate, 7. Titanate, Zirkoniate und Thorate, 8. Silikate, 9. Tantalate und Niobate, 10. Phosphate, Arseniate, Vanadinate, 11. Wolframiate und Molybdate, 12. Chromate, 13. Sulfate, 14. organische Verbindungen.


Literatur. Lehr- und Handbücher: Naumann-Zirkel, Elemente der Mineralogie, 14. Aufl., Leipzig 1901; Hintze, Handbuch der Mineralogie (erschienen ist Bd. 2, Silikate), Leipzig 1889–96; Tschermak, Lehrbuch der Mineralogie, 5. Aufl., Wien 1897; Bauer, M., Lehrbuch der Mineralogie, 2. Aufl., Berlin 1904; Klockmann, Lehrbuch der Mineralogie, Stuttgart 1904; Baumhauer, Kurzes Lehrbuch der Mineralogie, Freiburg i. B. 1884; Hornstein, Kleines Lehrbuch der Mineralogie, 5. Aufl., Kassel 1898; Dana, J., The system of mineralogy, 6. Aufl., New York 1892; Lapparent, A. de, Cours de mineralogie, 2. Aufl., Paris 1890; Groth, Tabellarische Uebersicht der einfachen Minerale, nach ihren kristallographisch-chemischen Beziehungen geordnet, 4. Aufl., Braunschweig 1898. – Zur Bestimmung der Minerale: Weisbach, A., Tabellen zur Bestimmung der Minerale nach ihren äußeren Kennzeichen, 5. Aufl., Leipzig 1900; Haushofer, Leitfaden für Mineralbestimmung, Braunschweig 1892; Fuchs, Anleitung zum Bestimmen der Minerale, 4. Aufl., Gießen 1898; Kobell-Oebbeke, v., Tafeln zur Bestimmung der Minerale, 13. Aufl., München 1894; Hussak, Anleitung zum Bestimmen der gesteinbildenden Minerale, Leipzig 1885. – Chemische Mineralogie: Brauns, R., Chemische Mineralogie, Leipzig 1896; Rammeisberg, Die chemische Natur der Minerale, systematisch zusammengestellt, Berlin 1886; Ders., Handbuch der Mineralchemie, 2. Aufl., Leipzig 1875, Ergänzungen 1886 und 1895; Dölter, Allgemeine chemische Mineralogie, Leipzig 1890; Koninck, de, Traité de chimie analytique minerale, Paris 1894; Landauer, Die Lötrohranalyse, 2. Aufl., Berlin 1881; Plattner, Die Probierkunst mit dem Lötrohr, 5. Aufl., Leipzig 1877.

Leppla.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 6 Stuttgart, Leipzig 1908., S. 435-437.
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