Rindviehställe

[442] Rindviehställe. Die Haltung des Rindviehes in der Landwirtschaft bezweckt Gewinnung von Arbeitskraft (Zugochsen), von Milch (Milchkühe) und Fleisch (Mastvieh). Mittelbar werden diese Zwecke gefördert durch die Aufzucht jungen Viehes (Jungvieh- und Kälberställe).

Der Raumbedarf ist folgender: Stände ohne Krippen und Jauchrinne für Bullen und große Ochsen 2,8 m lang, 1,5 m breit. Für mittelgroße Kühe 2,5 m lang, 1,25 m breit; für kleine Kühe 2,3 m lang, 1,1 m breit, für 1–2jähriges Jungvieh 2,2 m lang, 0,95 m breit. [442] Düngergang einschließlich Jaucherinne bei einseitiger Viehreihe 1,2–1,5 m, zweireihig 1,8–2,2 m breit. Futtergang mit einer Krippe 1,4–1,6 m, mit zwei Krippen 1,8–2,0 m breit. Höhe mindestens 2,9 m; wo das Vieh auf anwachsender Düngerlage steht, 3,5–3,8 m; bei großer Stalltiefe noch etwas mehr, bis zu 4,3 m. Himmelsrichtung der Ausgangstüren am bellen nach Norden oder Werten. Temperatur für Arbeitsochsen 14° C, für Melkvieh, Kälber und Jungvieh 20° C, für Mastvieh 12° C. [6]. S.a. Lüftung der Ställe, Bd. 6, S. 242.

Die Aufstellung der Viehreihen erfolgt gewöhnlich nach der Tiefe. Es wechselt stets ein Futtergang mit einem Düngergang; entweder beginnt man mit einem einseitigen Krippengang am Giebel oder man Hellt nur zweiseitige Doppelkrippen in den Stallraum und erhält dann am Giebel einen einseitigen Düngergang. Doppelkrippen liefern die heiseren Fütterungsergebnisse wegen des mitwirkenden Futterneides. Jeder Düngergang erhält an der hofseitigen Langfront eine Ausgangstür. An der entgegengesetzten Seite können die Krippengänge durch den erhöhten, 1 m breiten Kontrollgang verbunden werden, gewöhnlich aber dient ein Gang auf Bodenhöhe an der Hofseite zur Verbindung. Diese Art erleichtert die Abfuhr des Düngers, die Ableitung der Jauche sowie eine Absonderung nach Rasse, Fütterungsweise u.s.w. Die Stellung nach der Länge wird entweder mit mittlerer Stallgasse und einreihigen Krippengängen an den Wänden, besser aber mit Doppelkrippe in der Mitte und zwei 1,50 m breiten Düngergängen an den Wänden ausgeführt. Die Eingänge liegen an den Giebeln. Fig. 13 veranschaulichen die Grundrißanordnung für Tief- und Längsteilung. Die eingeschriebenen Maße sind mittlere. In neuerer Zeit hat man mit gutem Erfolg die vier- bis sechsreihige Aufstellung ausgeführt und den Ställen eine dem Quadrat genäherte Grundform gegeben. Laufställe, in denen das Vieh unangebunden frei umhergeht und deren Krippen rings an den Wänden angebracht werden, haben sich bis jetzt nur für Jungvieh eingebürgert, obgleich man ihnen auch für erwachsenes Vieh mancherlei Vorzüge nachrühmt.

Bei dem Entwerfen hat man den Grundsatz zu beachten, daß die deckentragenden Stützen nur unmittelbar an den Krippenrändern, höchstens 50 cm von diesen entfernt, stehen dürfen.

Die Bauart der Rindviehställe ist hinsichtlich der Wände, Decken und Fenster derjenigen in Pferdeställen (s.d.) gleich. Türen, 1,5–1,6 m breit, 2,2–2,5 m hoch, schlagen nach außen auf; Einfahrtstore für Düngerwagen 3,0 m breit, 2,5–3,0 m hoch. Fußböden sollen wasserdicht sein und den Jaucheabfluß befördern. Steinpflaster ist nur in der vorderen Standhälfte brauchbar, hinten, namentlich in der Jauchrinne, besser Zementbeton oder Asphalt. Gefälle der Fußböden möglichst gering, vordere Hälfte wagerecht, hintere nicht über 5 cm. Jaucheabflüsse am bellen in offenen, flachen Rinnen, erst außerhalb des Stalles in Tonrohren nach dem Jauchebrunnen führend (s. Dungstätten). – Grupen oder Grippen sind 45 cm breite, 25 cm tiefe Einsenkungen in den Fußboden an Stelle der Jaucherinnen, die dazu dienen, Dünger und Jauche gemeinsam aufzunehmen und mit Torfmull, der die Jauche aufsaugt, zu mischen. Grupen werden am bellen in Zementbeton hergestellt und erhalten kein Gefälle; sie werden meist in Verbindung mit niedrigen, sich in der Sohle über den Stallfußboden nicht erhebenden Krippen verwendet, und ihre Breite wird von der Standtiefe abgezogen, so daß letztere nur rund 2 m beträgt. Die Ausräumung der Grupen erfolgt etwa wöchentlich zweimal. Fig. 3 [1] stellt den Querschnitt durch den Düngergang, die beiden Grupen und den Krippengang dar.

Gesperrte Lattenfußböden werden durch Roste von hölzernen Latten über einer 60–65 cm Harken Moorbodenschicht gebildet. Die Lattenstäbe erhalten für ausgewachsenes Vieh 10/7,5 cm Stärke, 5 cm Zwischenraum, für Jungvieh und Kälber 7,5/5 cm Stärke, 4 cm Zwischenraum. Der Fußboden wird wagerecht verlegt. Unter dem Moorboden liegt eine undurchlassende Schicht fetten Lettens. Wenn der trocken einzubringende Moorboden mit Jauche gesättigt ist, wird er erneuert. Deshalb dürfen die Latten nicht festgenagelt, sondern müssen lose eingelegt werden.

Fußböden ohne Gefälle und ohne weitere Befestigung, als durch eine undurchlassende Letteschicht sind in solchen Ställen eingeführt, in denen die Ausscheidung der Jauche aus dem Dünger im landwirtschaftlichen Interesse verhindert werden soll. Diese Anordnung der sogenannten Tiefställe ergibt nach Märcker die geringsten Stickstoffverluste. Damit der Dünger gleichmäßig anwachse, ist eine Verschiebbarkeit der Krippen in wagerechter Richtung und zur Berücksichtigung der anwachsenden Düngerschicht eine Verstellbarkeit in der Höhe erforderlich, deren Einrichtung in [1] und [2] durch Beispiele nachgewiesen wird.

Fütterungseinrichtungen bestehen meist nur in Krippen, zuweilen auch besonderen Tränkeinrichtungen. Raufen gibt es im Rindviehstall nicht. Der Raum zwischen den Krippen[443] wird gewöhnlich von dem erhöhten Futter- oder Krippengang eingenommen. Die Maße sind folgende: Höhe des Krippenrandes über Fußboden bei hohen Krippen 65–75 cm, bei niedrigen Krippen 20 cm; obere Breite des Krippentroges 40–45 cm; Tiefe 20–25 cm; Gangbreite zwischen den Krippen 60–70 cm. Die Gesamtanordnung der Krippen eines Kuhstalles in Verbindung mit den deckentragenden Holzsäulen gibt Fig. 4. Die Krippen sind hier in Ziegelsteinen gemauert. Die Vorderkante wird durch eine Saumschwelle gesichert, an der die Anbinderinge befestigt sind und auf der die Holzsäulen stehen. Eine verbesserte Anordnung in Eisenstützen mit Betonwölbung zeigen Fig. 5 und 6 (Schnitte zu Fig. 7, einer Stallung für 100 Kühe [Hohenheim bei Stuttgart]). 0,85 m über der Saumschwelle liegen wagerecht von Säule zu Säule die sogenannten Nackenriegel und diese werden durch die Kuhstaken leiterartig mit der Saumschwelle verbunden, Kopföffnungen von 0,70 m Breite frei lassend. Am Nackenriegel befindet sich eine Tafel für den Namen und Notizen über das Tier. Die Kopföffnungen werden zuweilen durch ein vorgestecktes Holzscheit verschließbar gemacht, um bei heißer Schlämpefütterung die Rinder so lange vom Futter abzusperren, bis dieses sich abgekühlt hat. Bei kalter Fütterung läßt man Kuhstaken und Nackenriegel häufig ganz fort. Material der Krippen ist außer dem schon erwähnten Mauerwerk am besten Steingut, und zwar meist in durchlaufenden Trögen halbkreisförmigen Querschnittes, seltener Einzelschüsseln. Daneben kommt künstlicher Zementstein, Sandstein und für bewegliche Krippen auch Holz und Eisen vor. – Zum Tränken werden häufig die Krippen selbst verwendet, in die man von erhöht aufgestellten Wasserbehältern in Rohrleitungen oder offenen Rinnen Wasser einlaufen läßt. Eine vollkommenere Einrichtung sind die Selbsttränker.

Zur Futterbereitung dient die Futtertenne, ein an den Stall angrenzender Raum oder auch eine mit Krippenoberkante und Futtergängen gleichhoch im Stall liegende Plattform von je 0,5–0,7 qm Grundfläche für das Haupt Vieh. Sie muß mit den Krippengängen in bequemer Verbindung stehen, die zuweilen durch Eisenbahngleise vermittelt wird (s. Fig. 7). Futterküchen sind in Rindviehställen seiten, weil gedämpftes Futter nur ausnahmsweise und zwar meist nur an Mastvieh verabreicht wird.

Kälber werden meist in Verschlägen untergebracht, die im Kuhstall selbst abgeteilt werden, Jungvieh bringt man in besonderen Laufställen unter. Die einjährigen Rinder werden an Krippen angebunden.

Zur Aufbewahrung des Futters dienen der Wurzelkeller, 3,6–4,6 cbm für das Haupt, häufig in andern Gebäuden, etwa unter den Scheunentassen, untergebracht, und der Heuboden, rund 20 cbm für das Haupt Großvieh fassend. Er wird gewöhnlich in ein Kniegeschoß über dem Stall verlegt. Das Heu wird von außen durch Lucken, die in Entfernung von 13–20 m wiederkehren, eingebracht. Mit dem Stall darf der Heuboden nicht unmittelbar zusammenhängen, damit die Stalldünste nicht in das Heu eindringen. Die Verbindung wird durch gut abgeschlossene Treppenhäuser oder Heuschlote vermittelt (s. Futterschlot). – In neuerer Zeit sind vielfach Rindviehställe ohne Heuboden mit daneben gestellter Heuscheune ausgeführt worden. Diese Ställe werden durch den Fortfall der tragfähigen Decke besonders billig und gewähren manche wirtschaftlichen Vorteile; um sie vor zu starker Abkühlung zu schützen, legt man sie in möglichst großer Tiefe an und versieht das Dach zwischen den Sparren mit Windelboden. Von unten wird die Deckenfläche mit Zementputz und Rohrgewebe versehen.


Literatur: [1] Tiedemann, L., v., Das landwirtschaftliche Bauwesen, Handbuch, 3. Aufl., Halle a. S. 1898. – [2] Engel, Fr., Handbuch des landwirtschaftlichen Bauwesens, 7. Aufl., Berlin 1885. – [3] Ders., Entwürfe ausgeführter landwirtschaftlicher Gebäude, Halle a. S. 1891. – [4] Gehrlicher, Jähn und Klasen, Die Stallungen, Leipzig 1880. – [5] Wanderley, Die ländlichen Wirtschaftsgebäude, Karlsruhe 1887 – [6] Rueff, A. v., Bau und Einrichtungen der Stallungen und Aufenthaltsorte unsrer nützlichen Haustiere, Stuttgart 1875. – [7] Kühn, Die zweckmäßigste Ernährung des Rindviehes, gekrönte Preisschrift, Dresden 1891.

(† v. Tiedemann) Weinbrenner.

Fig. 1., Fig. 3.
Fig. 1., Fig. 3.
Fig. 2.
Fig. 2.
Fig. 4.
Fig. 4.
Fig. 5–7.
Fig. 5–7.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 7 Stuttgart, Leipzig 1909., S. 442-444.
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