Astrachán [2]

[2] Astrachán (im Mittelalter Dschitarchan und Ginterchan), Hauptstadt des gleichnamigen russ. Gouvernements (s. oben), liegt unter 46°21´ nördl. Br. und 48°2´ östl. L., zwischen den Mündungsarmen der Wolga, 66 km von deren Mündung, auf der hügeligen Wolgainsel Sajatschji, von Obst- und Weingärten umgeben. Sie besteht aus der Festung (Kreml), der Weißen Stadt (Bjälyjgorod) und 16 Vorstädten (Sloboden); aber nur der Kreml und die Weiße Stadt haben Steinhäuser, die Sloboden, von denen die kasanische, sibirische und tatarische die größten sind, enthalten nur hölzerne Gebäude und unregelmäßige, kotige und ungepflasterte Straßen. Mittendurch zieht sich der Länge nach ein Kanal, der den Wolga-Arm Kutum mit der Wolga verbindet. Die Stadt hat 30 griechische, 6 armenische, 2 katholische und eine prot. Kirche, 15 Moscheen, 2 Synagogen und eine lamaitische Pagode. Die schönste Kirche ist die auf dem höchsten Hügel im Kreml befindliche Kathedrale, mit fünf Kuppeln, 1696 unter Peter d. Gr. erbaut. A. hat ein Priesterseminar, eine Realschule, 2 armenische Schulen, eine Schiffahrtsschule, ein Taubstummeninstitut, Irrenhaus, einen botanischen Garten, ein Theater und die Gouvernementsbibliothek, ferner ein Denkmal Alexanders II. (von 1884). Die Bevölkerung, die (1897) 113,075 Einw. zählt, ist ein buntes Gemisch aus Russen, Armeniern, Tataren, Persern, Juden etc. Die wenig entwickelte Industrie erstreckt sich auf Gerberei, Fabrikation von Seife, Maschinen, Watte, Transiederei, Schiffbau und Bierbrauerei. A. ist, obwohl nur, wenn südliche Winde das Wasser des Meeres aufstauen, tief gehende Schiffe den Hafen erreichen können, der erste Seehafen des Kaspischen Meeres, Kriegshafen der kaspischen Flotte und der Haupthandelsplatz zwischen dem innern Rußland und Persien nebst Turkistan. Wert der Einfuhr 1898: 91 Mill. Rub., der Ausfuhr 45 Mill. Rub. Der Warenverkehr auf der Wolga abwärts hatte einen Wert von 18,5 Mill., aufwärts von 58,4 Mill. Rub. Die Hauptartikel der Einfuhr sind Rohbaumwolle und Früchte, die der Ausfuhr Fische, Wollen- u. Baumwollenwaren, unbearbeitete Metalle, Metallwaren, Manufakturwaren und Zucker. Neuerdings vermittelt A. auch den Zwischenhandel für Naphtha und Naphthaprodukte. Die hiesigen Fischereien werden teilweise von der Krone verpachtet, beschäftigen viele Tausende von Menschen und liefern im Durchschnitt jährlich über 100,000 Haufen, 300,000 Störe (für Kaviarbereitung ist A. der wichtigste Ort Rußlands), 11/2 Mill. Sewrugen und[2] eine ungeheure Menge kleinerer Fische; auch der Robbenschlag ist sehr bedeutend. A. ist Sitz eines griechisch-katholischen und eines armenischen Erzbischofs und einer lamaitischen geistlichen Vorsteherschaft, ferner Sitz der Admiral tät, der die Kaspiflotte und die Schiffswerft unterstellt sind. – A., von arabischen Schriftstellern unter dem Namen Torgichan schon frühzeitig erwähnt, war im 13. und 14. Jahrh. ein Sammelplatz indischer Waren. Timur zerstörte die Stadt 1395; aber schon 1475 taucht A. wieder als ein auch von Russen stark besuchter Handelsplatz auf, und 1485 wurde es Sitz eines tatarischen Chans. 1557 wurde A. von Iwan IV erobert und bildete fortan die Hauptstadt des Zartums A. (s. die Geschichtskarte bei Artikel »Russisches Reich«), das die jetzigen Gouvernements A., Samara, Orenburg, Saratow und Stawropol umfaßte. 1670 wurde es zeitweilig von den aufrührerischen Kosaken unter Stenka (Stephan) Razin besetzt. 1705 hatte Peter d. Gr. hier einen Aufstand zu bekämpfen, der von den Sektierern (Raskolniken) ausging. Katharina II. gewährte jedem Fremden, der sich in A. oder in dessen Gebiet niederließ und Fabriken errichtete, eine 30jährige Abgaben- und vollkommene Gewerbefreiheit, wodurch A. schnell wuchs.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 2-3.
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