Astrachan

[133] Astrăchan, einst ein großes, unter tatar. Herrschaft stehendes Königreich von 16,400 ! M. mit 2,850,000 Einw., am kaspischen Meere und den Flüssen Wolga und Ural, wurde von den Russen unter Iwan II. 1554 erobert und bildet jetzt eine Statthalterschaft des südl. Rußlands von 5200 ! M. mit 230,000 Einw. Einen großen Theil des Landes, zwischen dem Ural und der Wolga, machen Steppen aus mit mehren Salzseen, wie denn überhaupt der Boden fast durchgehends salzhaltig ist; nur die Ufer der Flüsse sind fruchtbar; an ihnen findet man die meisten der in Deutschland heimischen Fruchtbäume und am Terek sogar verschiedene Südfrüchte; auch wird Taback und Baumwolle gebaut und Seidenzucht betrieben. In den Steppen wächst dagegen nur niedriges Gestrüpp; aber schön ist ihr Anblick im Frühlinge, wo sie von einer Grasdecke mit üppigen Blumen überzogen, vortreffliche Viehweiden darbieten. Aus den [133] Salzseen, an deren Ufern die Sodapflanzen wachsen, wird viel Salz gewonnen und jährlich allein an die Kronmagazine gegen 300,000 Ctr. abgeliefert. Die Einwohner A.'s sind Russen, Kosaken, Tataren, Kalmücken, Nogaier und bukaische Kirgisen. Die erstern ausgenommen, leben sie größtentheils als Nomaden, wohnen familienweise in ihren Jurten oder Kibitken und treiben in den Steppen eine starke und einträgliche Viehzucht; die Kirgisen allein, welche sich etwa seit 30 Jahren hier niedergelassen haben, besitzen gegen 4 Mill. Schafe, 1 Mill. Pferde, 1/2 Mill. Kameele und über 200,000 Rinder. Nächst der Viehzucht ist die Fischerei ein Hauptnahrungszweig der Bewohner; auf der Wolga allein beschäftigen sich über 20,000 Menschen mit dem Fischfang, der sich vorzüglich auf Haufen, Störe, Weise und Lachse erstreckt, deren Rogen, zu Caviar bereitet, einen einträglichen Handelsartikel bildet. Im Sommer steigt die Hitze in A. zu einer bedeutenden Höhe; der Winter dagegen ist streng und der Übergang zum Frühling im Februar sehr plötzlich. Eine Plage für das ganze Land ist die Zugheuschrecke. Die gleichnamige Hauptstadt der Provinz, auf einer Insel der Wolga, sechs Meilen vom kaspischen Meere, mit 40,000 Einw., gewährt durch die zahlreichen christlichen Kirchen und mohammedan. Moscheen, durch ihre herrlichen Baumgärten, Weinberge, ausgedehnten Vorstädte und das nach Art des moskauischen erbaute Schloß Kremlin einen sehr schönen Anblick, hat aber fast durchgehend hölzerne Häuser und unregelmäßige, schmuzige und nicht gepflasterte Straßen. Die Stadt hat einen sehr besuchten Hafen und große Schiffswerfte und ist durch ihre Lage der Haupthandelsplatz Rußlands mit Persien, der Bucharei und Indien. Armenier, Griechen, Grusinier, Bucharen, Hindus und die verschiedensten europ. Nationen treiben hier neben den Russen Handel. Auch zeichnet sich A. durch seine Industrie und Fabrikation aus; es hat Saffian-, Seiden-, Baumwollen- und andere Fabriken, bedeutende Fischereien und Weinbau. In der Nähe der Stadt liegt Ghilan, ein von Persern bewohntes Dorf, und eine Meile oberhalb A.'s an der Wolga der Kalmück-Bazar, wo die Steppenbewohner ihren Tauschhandel mit den Russen, Armeniern u.s.w. treiben.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 133-134.
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